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Diorama #7 Grüner Bücherwurm. Buchrezensionen

Foto: Unsplash, Ugur Akdemir
Die Fülle an Infomaterial über die Rolle von Museen in der Klimakrise kann manchmal – so wie die Fakten zur Klimakrise – erschlagend sein. Gleichzeitig ist es jedoch auch gar nicht so einfach, sich Wissen anzueignen, wie Institutionen ein größeres Bewusstsein und Engagement in der Bevölkerung über die Erderwärmung erzeugen können. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen drei Bücher vorstellen, die unserer Meinung nach genau dafür hilfreich sind, uns selbst und andere ins Handeln zu bringen. Die Publikationen präsentieren dabei verschiedene Sichtweisen, wie Museen das tun können. ‘Das Nachhaltige Museum’ von Garthe (2022) bietet einen umfassenden Überblick und tiefgehende Beschreibungen, wie Museen sich mehr für die Bekämpfung der Klimakrise engagieren sollten. Dagegen stellt ‘Ecomuseums and Climate Change’ von Dal Santo, Borrelli & Davis (2022) mögliche Auswirkungen und Case Studies der Implementierung des Konzepts ‘Ecomuseums’ vor. Zuletzt reflektieren Janes & Sandel (2019) in ihrem Sammelband ‘Museum Activism’, warum Museen generell aktivistisch handeln sollten. Dieses Buch ist besonders interessant, da es die Klimabewegung mit anderen aktivistischen Strömungen vergleicht.

Das Nachhaltige Museum: Vom nachhaltigen Betrieb zur gesellschaftlichen Transformation, von Christopher Garthe (2022), transcript Verlag, Bielefeld

‘Das Nachhaltige Museum', am 12. September 2022 beim Transcript Verlag erschienen, beschreibt auf 332 Seiten die Bedeutung von Museen für die Eindämmung der Klimakrise. Durch seine Argumentation zeigt Garthe auf, dass Museen keine andere Wahl haben, als sich mit der Klimakrise auseinanderzusetzen. Museen sind Bildungsinstitutionen, die nach Garthe eine große gesellschaftliche Bedeutung haben und für die Aufgabe der Bewahrung der Vergangenheit prädestiniert sind, und somit auch den Klimawandel thematisieren sollten. Der Fachjournalist führt auf, wie die Institutionen Strategien entwickeln können, um den Anforderungen einer nachhaltigen Zukunft gerecht zu werden. Er geht dabei auf verschiedene Aspekte ein, die von der Ressourcennutzung bis hin zur Förderung von Bildung und der Schaffung eines Bewusstseins für die Klimakrise reichen.
Ausgehend von einem fundamentalen Überblick über die Entwicklungen der Wahrnehmung des Klimas in den letzten Jahrzehnten, lassen sich seine Gedanken sehr verständlich nachvollziehen. ‘Das Nachhaltige Museum’ ist vor allem für Menschen aus der Kultur- und Museumsbranche spannend, die nach praktischen Empfehlungen und Wegen suchen, um Institutionen ganzheitlich nachhaltiger und thematisch näher an die Klimakrise heranzuführen.
Besonders hervorstechende Zitate:

  1. “Museen bewahren Kulturgüter und Sammlungen für nachfolgende Generationen. Aber Nachhaltigkeit ist viel mehr als Bewahren. Denn durch das Bewahren entstehen zahlreiche Zielkonflikte mit dem Leitbild der Nachhaltigkeit – die Auswirkungen auf den Klimawandel durch energieintensive Museumsgebäude sind nur ein Beispiel dafür. Die Aufgabe des Bewahrens umfasst daher nicht automatisch eine Ausrichtung auf Nachhaltigkeit.” (S. 27)
  2. “Durch die Perspektive der Nachhaltigkeit werden Aufgaben und Tätigkeiten neu reflektiert und bewertet – und damit entsteht eine grundlegende Chance, die museale Praxis zu verbessern." (S. 28)
  3. “Die Komplexität der globalen Krisen verlangt von Museen eine Re-Evaluierung ihres Selbstverständnisses. Die Vision eines nachhaltigen Museums kann vor diesem Hintergrund auch als Vehikel dienen, um die Relevanz von Museen zu stärken. Nachhaltigkeit ist daher das Thema der Zukunft für Museen. Wenn Museen relevant bleiben wollen, müssen sie Nachhaltigkeit als zentrale Idee verankern.” (S. 28)
  4. "Museen und ihre Aufgaben werden sich aufgrund der globalen Herausforderungen und Dynamiken zwangsläufig wandeln (Cameron 2015, 345). Und wenn dieser grundlegende Wandel ohnehin nicht aufzuhalten ist, erscheint es nur klug, diesen proaktiv zu gestalten. " (S. 30)

Ecomuseums and Climate Change, von Raul Dal Santo, Nunzia Borrelli und Peter Davis (2022), Ledizioni, Mailand

Santo, Borelli und Davis (2022) beschreiben Ökomuseen als Museen, die sich den Herausforderungen und Bedingungen einer Gesellschaft anpassen und Menschen in ihrem Umfeld ermutigen, an der Gestaltung der Zukunft mitzuwirken. Ökomuseen können also als Foren, Forschungsräume und soziale Zentren betrachtet werden, die sich in ihrer Aufgabe nicht nur auf die Bewahrung von Sammlungsobjekten beschränken, sondern deren ganzer Umwelt. Der Sammelband ‘Ecomuseums and Climate Change', im Ledizioni Verlag erschienen, geht der Frage nach, welche Rolle solche Museen in der Klimakrise spielen könnten. Die 15 Kapitel gehen diesem Unterfangen aus politischen, sozialen und ökologischen, sowie globalen bis lokalen Perspektiven auf 383 Seiten nach.
Vor allem die ersten Kapitel des Buches können Museen in ihrer Argumentation helfen, sich für mehr Engagement für den Klimawandel zu positionieren. Denn hierbei wird allgemeiner aufgeführt, warum sich internationale Politik dafür ausspricht, Kulturinstitutionen als wichtige Agenten der Klimakrise zu nutzen, wie Ästhetik zu einer nachhaltigen Gesellschaft führen kann und welche Bedeutung die Förderung von Demokratie in der Eindämmung der Erderwärmung spielt. In dem Buch werden vor allem Fälle aus Naturkundemuseen und Freilich-Museum präsentiert, allerdings sind die Beobachtungen auch für andere Museen mit anderen Rahmenbedingungen hilfreich, da sie vor allem als nützliche Inspiration für eigene Programmkonzeptionen dienen können.

‘Ecomuseums and Climate Change’ ist unter folgendem Link online open access zu lesen: https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/62355/external_content.pdf?sequence=1
Besonders hervorstechende Zitate:

  1. “Ecomuseums can connect people and communities with the big picture and global challenges, not necessarily in a ‘top down’ way, but by creating opportunities for people and communities to contribute towards these agendas, in whatever way they wish, and so fulfilling their right to development, from a ’bottom up’ direction. As the old saying goes, ‘to think global and act local’, also contributes to global action, delivered locally, and connecting local and global realities.” (S. 56)
  2. “There are many ways to bring about systems change – and if museums are to become catalysts of cultural adaptation, they will need to become very familiar with such processes, beyond their special expertise in traditional academic disciplines.” (S. 72)
  3. “The first ecomuseums, reflected the consequences of industrialisation and post-industrialisation, and were tools for raising awareness of the problems - and possibilities - of degraded territories, whether due to environmental deterioration, the imbalance of economic activities, or the loss of population due to the abandonment of rural areas. These kinds of projects were the first way of linking ethnology and ecology.” (S. 289-290)
  4. “Goals and directions of activities in the process of adaptation to climate change defined the challenges on a state level and the ecomuseum can contribute not only in raising awareness of the issues but also in introducing new mechanisms on the local level that are consistent with and strengthen the implementation of the national strategic plan.” (S. 319)

Museum Activism, von Robert R. Janes & Richard Sandell (2019), Routledge, London & New York

Museen schrecken manchmal davor zurück, die Klimakrise in ihrem Programm und ihrer Ausstellungskonzeption zu thematisieren, aus Angst, dieses Handeln könnte als “zu politisch” kritisiert werden (Dies wurde auch in unserer Klimakolumne #4 ‘Museen & Klimapolitik’ thematisiert). ‘Museum Activism’, 2019 herausgegeben von Janes und Sandel im Routledge Verlag, setzt dagegen ein Zeichen, dass diese Institutionen sich stärker positionieren sollten. Der Sammelband präsentiert eine Reihe von Gründen, warum Museen sozialkritische Rollen einnehmen und als wichtige Agenten in diesem Wandel agieren sollten. Die 34 präsentierten Artikel sprechen dabei nicht nur über den Klimawandel, sondern auch über andere Formen von Aktivismus, was interessante Vergleichspunkte zu diesem Thema bietet. Vor allem durch das Aufführen der verschiedenen Formen von Aktivismus, in die Museen bereits involviert waren, lassen sich hilfreiche Rückschlüsse für den Umgang mit der Klimakrise ziehen. Aktivismus wird dabei vorrangig nicht über schockierende Handlungen beschrieben, sondern im Kontext mit Museen vor allem durch Partizipation, Dialoge, Bildung und die Förderung von Bewusstsein. Außerdem werden dazu auch interessante Strategien geboten, wie Museen dies erreichen könnten. Mit seinen 445 Seiten bietet es durch seine klare thematische Strukturierung die Möglichkeit, sich eine gute Orientierung über dieses Thema zu verschaffen.

‘Museum Activism’ ist eine Open-Access Publikation, online zu lesen unter folgendem Link: https://library.oapen.org/viewer/web/viewer.html?file=/bitstream/handle/20.500.12657/46427/9781351251037.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Besonders hervorstechende Zitate:

  1. "Becoming reality-based means to become more visionary, to become more involved in the broader world, and to embrace a sense of urgency—the need to see things as they really are, including what role museums can play in addressing contemporary issues.There is no formulaic approach in doing this—it is up to each practitioner and each museum to determine where they can contribute. The question is this—can museums finally subordinate themselves to concerns that are larger than their own?" (S. 14)
  2. "Museumsare diversifying their understanding of the audience and expanding their tactics for political advocacy. Too often, however, the concepts of relevance, inclusivity, diversity, and participa-tion lead museums to reinforce their claims to authoritative neutrality (Janes 2009: 59), diverting those of us working in museums from the deeper existential question that we ought to be asking:What is the role and responsibility of the museum in a time of climate crisis?The problem is not whether or not our institutions are relevant, but for whom and to what end." (S. 174)
  3. “As social resources, museums can, and should, play an important role in educating the public about the unpredictable and overlapping effects of climate change on the earth's ecological and social system.” (S. 175)

Zusammenfassung

Dies sind natürlich nur drei Beispiele aus einer Reihe fantastischer Fachliteratur, die zeigen, wie Museen ein Bewusstsein und Inspiration zum Handeln für die Eindämmung der Klimakrise erzeugen können. In all den Empfehlungen und Wegen, die hierbei aufgezeigt werden, lässt sich jedoch auch feststellen, dass viele der Ansätze zu den übergeordneten Herausforderungen stehen, wie John H. Falk am Anfang seines Buches ‘The Value of Museums - Enhancing Societal Well-Being’ (2021) darstellt: Um Agenten gegen Erderwärmung zu werden, müssen sich die Institutionen auch Schwierigkeiten in der Vermittlung und ihrer Zugänglichkeit gegenüberstellen, die schon etwas länger im Museumsdiskurs stehen. Literatur über Partizipation und Digitalisierung sollte daher nicht missachtet werden. Im Gegensatz zu anderen sozialkritischen Diskursen kann die thematische Behandlung der Klimakrise für Institutionen besondere Herausforderungen mit sich bringen. ‘Museum Activism’, ‘Ecomuseums and Climate Change’ und ‘Das Nachhaltige Museum’ zeigen das Problem des eigenen Emissions-Beitrags der Institutionen, die Authentizität der Klima-Vermittlung oder das Konfliktpotenzial, das sich durch den aufgeheizten Diskurs ergeben kann. Es lohnt sich daher, einen Blick auf die Möglichkeiten und Strategien zu werfen, die Museen nutzen können, um einen Beitrag gegen die Erderwärmung zu leisten. Viel Spaß beim Lesen!
Ben Falkenberg
Diorama