Diorama #8 Europawahl: Was Museen zur Stärkung der Demokratie und des Klimaschutzes beitragen können
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Vom 6. bis 9. Juni finden die Europawahlen statt (in Deutschland ist der Wahltag Sonntag, 9. Juni). Erstmals dürfen alle Menschen ab 16 Jahren wählen, was sich hoffentlich an einer höheren Wahlbeteiligung zeigen wird. Beim letzten Mal, im Jahr 2019, haben insgesamt 50% der Wahlberechtigten gewählt, in Deutschland waren es 61%. Wir finden beide Zahlen sehr niedrig, denn mit dieser Wahl können wir alle mitentscheiden, wie unsere Zukunft aussehen soll. Mit der eigenen Stimme kann beschlossen werden, wer Mitglied des Europäischen Parlaments ist. Dieses verabschiedet Rechtsvorschriften. Themen wie Umweltschutz, Sicherheit, Migration, Sozialpolitik, Verbraucherrechte, Wirtschaft oder Rechtsstaatlichkeit werden mit den Rechtsvorschriften geregelt.(1)
Klimaschutz spielte bei den letzten Wahlen eine große Rolle. Und mit zunehmend sichtbar und spürbaren Folgen der Klimakrise erhält die schnelle Umsetzung der Maßnahmen einen immer höheren Stellenwert. Leider stehen unsere demokratischen Strukturen dieses Jahr – das haben vor allem auch die deutschen Proteste der letzten Wochen gezeigt – unter besonderem Druck durch rechtsextreme Parteien. Den neuesten Wahlumfragen zufolge gehen 22% der Stimmen in Deutschland an die AfD. Doch nicht nur rechte Parteien gefährden unser Ziel für Klimagerechtigkeit. Unter vielen Menschen herrscht “Klimamüdigkeit” oder “Klimaohnmacht”: Hat das eigene nachhaltige Handeln überhaupt Auswirkungen? Zusätzlich überträgt die Politik immer mehr Verantwortung auf die Bürger*innen, was Überforderung und Ohnmachtsgefühle nach sich zieht.(2) Wie können wir als meist öffentliche Einrichtungen also dazu beitragen, Demokratie zu stärken, Menschen Mut zu machen, sich konstruktiv einzubringen und für eine klimagerechte Zukunft wählen zu gehen?
Wir von MFF Germany haben ein paar Ideen gesammelt, die wir Ihnen im Folgenden vorstellen möchten. Denn SIE, die Mitarbeitenden in den Museen, können helfen, auf Wahlen aufmerksam zu machen und Menschen Mut machen, sich für Demokratie und Klimaschutz einzusetzen.
Museen und ihre Objekte
Wenn wir Sie fragen: Welches Objekt in Ihrer Sammlung erzählt eine europäische Geschichte?... wüssten Sie gleich eine Antwort oder müssten Sie da doch noch einmal recherchieren? Egal, wie Ihre spontane Antwort lautet: Wir sind uns ziemlich sicher, dass Sie in Ihrer Ausstellung oder im Depot ein Objekt finden, was eine europäische Geschichte erzählen kann. Vielleicht hat jemand ein Erinnerungsstück mit nach Deutschland gebracht und die Enkel haben es dem Museum geschenkt? Oder das Exponat wurde in einem anderen europäischen Land angefertigt?
Perfekt, nutzen Sie dieses Objekt, um die „Europäische Idee” aufzuzeigen (Frieden, Freiheit, kein weiterer Weltkrieg, Einheit in der Vielfalt).
Alles, was Sie tun müssen, ist einen Platz für das Exponat zu finden oder, wenn es bereits ausgestellt ist, eventuell in Führungen darauf aufmerksam zu machen. Schreiben Sie einen kurzen Objekttext, in dem deutlich wird, was für ein Gewinn das Objekt ist, sprechen Sie einen Text ein, machen Sie einen Kurzfilm oder Social Media Beitrag… was auch immer Ihre Ressourcen und Kreativität hergeben.
Ein bisschen mehr Aufwand und vielleicht eher was für die größeren Häuser ist, aus jedem der 27 EU-Staaten ein Objekt vorzustellen. Oder Sie tun sich mit anderen Museen zusammen und zeigen über einen Bildschirm deren europäische Objekte und andersherum? Dadurch erhält Ihr Haus nicht nur kostenlose “Werbung”, sondern Sie bekräftigen gleichzeitig einen Grundgedanken der EU: Zusammen schaffen wir Mehr.
Führungen
Oder wie wäre es mit einer Führung zu europäischen Objekten, wenn Sie mehr als eines vorweisen können? Vielleicht haben Sie auch eine andere Schnittmenge mit „Europa“ – möglicherweise durch die Lebensgeschichten der Mitarbeitenden? Wie viele europäische Nationalitäten sind in Ihrem Team vertreten? Oder was ist mit der Vergangenheit des Gebäudes? Woher stammen die Pflanzen auf Ihrem Außengelände? Natürlich soll der Zusammenhang nicht zu weit hergeholt sein, aber sicher fallen Ihnen passende Beispiele für Ihr Haus ein – Sie sind schließlich die Expert*innen.
Diskussionsabend
Vielleicht haben Sie ja Lust, zu einem Diskussionsabend einzuladen? Ein Gespräch mit dem Fokus, wie lokaler Klimaschutz gelingen kann, gemeinsam mit lokalen Initiativen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen? Und – vielleicht eine Idee, um den Spieß mal umzudrehen – sollen die Politiker*innen vorrangig die anderen sprechen lassen und eher zuhören?
Wahlparty
Party im Museum? Festival der Demokratie? Warum nicht? Am Tag der Wahl könnten Sie ein kleines Rahmenprogramm einrichten und an alle Personen, die gewählt haben, kleine Sticker ausgeben. Oder Sie bieten vor der Wahl eine Art “Warming up” an, wo Sie die Menschen zum Wählen motivieren.
Filmvorführungen
Sicher fallen Ihnen Filme oder Dokumentationen ein, die das Themenspektrum Europa und/oder Klimaschutz abdecken. Wie wäre es beispielsweise mit einem Abend zu grenzüberschreitenden Naturschutzprojekten der EU? Flüsse, Berge, Landschaften und die Pflanzen und Tiere, die in Ihnen leben, kennen keine Ländergrenzen und ihr Schutz sollte es auch nicht. Es gibt zahlreiche Projekte, in denen Initiativen gezeigt haben, dass wir gemeinsam ins Handeln kommen müssen.
Kreativer Austausch
Poetry Slams und Schreibwerkstätten sind beliebt. Weshalb also nicht einen Poetry Slam zum Thema Europa organisieren? Oder einen literarischen Abend, an dem Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben und an einem anderen Abend vorgetragen werden? Oder Sie fragen eine*n Künstler*in, ob Interesse an einer Veranstaltung besteht, bei der gemeinsam Bilder zum Thema Europa und/oder Klimaschutz angefertigt werden? Museen sind kreative Orte, setzen Sie Kreativität keine Grenzen.
„Postamt“
Wenn Sie keine Kapazitäten haben, Veranstaltungen zu planen oder neue Führungen zu implementieren, könnten Sie als eine Art Poststelle fungieren. Richten Sie eine (gerne zentrale, gut sichtbare) Ecke ein, in der Besuchende ihre Wünsche für Klimaschutz als Briefe oder Postkarten an EU-Politiker*innen schicken können.
Sie merken – es ist vieles möglich. Wahrscheinlich fällt Ihnen noch mehr ein oder Sie können eine unserer Ideen passend auf Ihr Museum zuschneiden. Die Europawahl ist auf so vielen Ebenen immens wichtig – und gerade der Klimaschutz darf nicht schon wieder hinten angestellt werden. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, wie relevant es ist, dass Museen sich positionieren. Viele rechte Parteien lehnen Diversität ab und erkennen nicht an, dass die Klimakrise menschengemacht ist. Wenn solche Ansichten weiter an Stimmkraft gewinnen, verlieren auch die Programme in den Museen an Diversität. Museen selbst würden zu undemokratischeren Orten werden. Ein sehr aktuelles Beispiel ist die Kunsthalle Bratislava. Sie ist das “erste prominente Opfer der Neuen Kulturpolitik in der Slowakei”(3), wie der Deutschlandfunk berichtet. Die Kunsthalle wird nun der staatlichen Nationalgalerie unterstellt und niemand weiß, wie es mit der Kunsthalle ansonsten weitergeht. Eine Mitarbeiterin vermutet, dass der neuen slowakischen Kulturministerin (der rechtsnationalen Partei SNS zugehörig) nicht gefällt, was dort ausgestellt wird: zeitgenössische Kunst und das Unterstützen von queeren Themen.
Scheuen Sie sich also nicht, als politische*r Akteur*in aufzutreten. Nicht nur Ihr Privatleben wird durch die Europawahl beeinflusst, auch Ihr beruflicher Alltag könnte sich radikal ändern.