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#23 Museen können Klimageschichten erzählen - und sollten es auch

Credits: unsplash, Mika Baumeister, Veröffentlicht am 19. März 2021

Welche Relevanz hat das Erzählen und Zuhören für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit? Und wie kann die Umsetzung im musealen Kontext konkret aussehen?

Das Volkskundemuseum Wien – eines der ersten österreichischen Museum For Future – hat Anfang des Jahres mit der Sonderausstellung „Von Zwentendorf zu CO2 – Über die Kämpfe der Umweltbewegungen in Österreich” bewiesen, wie Museen mitreißende Klimageschichten erzählen können. Bei dieser Ausstellung ging es vor allem darum, andere ihre persönliche Klimageschichte erzählen zu lassen und damit auf die Stimmen und Erfahrungen von Umweltaktivist*innen aufmerksam zu machen. In fünf Hörstationen berichteten Menschen in Interviews lebendig über ihre eigenen Erfahrungen im Umweltaktivismus.

Dabei kommen Themen wie die Besetzung der Hainburg Au im Jahr 1984 und die dadurch erfolgreiche Verhinderung des Baus eines Wasserkraftwerks zur Sprache oder die Volksabstimmung Zwentendorf in 1978, wodurch die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes verhindert wurde. Zeitgenössische Bewegungen wie Fridays-for-Future oder Lobau-bleibt sind ebenfalls vertreten. Bei den befragten Personen handelte es sich um unterschiedlichste Menschen, die wiederum unterschiedliche Berührungspunkte zu den Umweltbewegungen in Österreich hatten, darunter beispielsweise Wissenschaftler*innen, Forscher*innen, Politiker*innen, Landwirt*innen oder Schüler*innen und Studierende.

Mit Fotos, Videos sowie Ausstellungsstücken von den Protesten und Aktionen werden die Entwicklungen vom Museumsteam in einen historischen Kontext eingebettet und vermittelt. Zu den Ausstellungsstücken gehören beispielsweise zwei erhaltene Tiermasken, welche bei der Pressekonferenz der Tiere im Jahre 1984 eingesetzt wurden. Oder der Taucheranzug, der bei Greenpeace-Aktionen in den 80ern getragen wurde, als Wasserproben entnommen wurden, um nachweisen zu können, ob Papierfabriken illegal Chlorbleiche in umliegende Gewässer entsorgten. Davon berichtet etwa Wolfgang Pekny, als er bei seinen Tauchgängen ein Gelenk am Abwasserrohr einer Papierfabrik befestigte, um das vergiftete Abwasser sichtbar zu machen. Rosemarie Pexa hingegen erzählt die Geschichte, wie sie auf die Kühltürme der Atomkraftwerke Temelín und Mochovce kletterte, um dort Protestplakate zu befestigen. Peter Bierl macht in seinem Interview auf antidemokratische und rechtsextreme Ideologien innerhalb des Umweltschutzes aufmerksam. Von den Anfängen der Fridays for Future Bewegung in Österreich berichtet die Mitbegründerin Katharina Rogenhofer. Für den wissenschaftlichen und geschichtlichen Hintergrund sorgt Umwelthistoriker Martin Schmid in einer gesonderten Hörstation, bei der er die Entwicklungen und verschiedene Stufen des menschengemachten Klimawandels erklärt.

Die Relevanz beim Erzählen und Zuhören von Geschichten rund um die Klimakrise ist unabdingbar. Es macht die Komplexität um das Geschehen greifbarer und ermöglicht, dass Personen sich in die Situation anderer hineinversetzen und so besser nachvollziehen können. Dabei geht es gleichermaßen um Erzählungen aus erster Hand wie in den Interviews wie auch um narratologische Erzählungen. Aus einer Position, in der die Auswirkungen des Klimawandels für manche nicht auf den ersten Blick sichtbar sind, kann Storytelling ein Hilfsmittel sein, um die Informationen auch auf einer emotionalen Ebene zu vermitteln. (Schrader, 2022) Denn in der Realität ist der Diskurs oft realitätsfern.

Ein Beispiel dafür ist das Buch "Als es uns gelungen ist, unsere Erde zu retten… und als wir verpasst haben, die Klimakrise zu bremsen" von Germanwatch. Je nachdem, von welcher Seite man das Buch zu lesen beginnt, wird eine Zukunftsgeschichte aus einer Welt mit 1,5°C oder 3°C Erderwärmung beschrieben. In einfacher Sprache geschrieben, ermöglicht dieses Buch einen anderen Zugang und bezieht sich konkret auf Lebensrealitäten. Das ist schlichtweg eine Art und Weise, Menschen zu erreichen und zu bewegen.

Die Klimakrise sowie weitere ökologische Krisen haben enorme Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaften. Gerade für demokratische Gesellschaften ist die Bekämpfung dieser Krisen unabdinglich, um Demokratie weiterhin zu erhalten und durch Klima- und Umweltschutz sogar zu stärken. (Rickert, 2023) Nicht umsonst berufen sich Teile der heutigen Klimabewegung auf Konzepte von Generationen- und Klimagerechtigkeit, die es zur Erhaltung sicherer Lebensräume überall auf der Welt braucht. Denn die hauptverantwortlichen Länder spüren aktuell die Auswirkungen des Klimawandels weniger und können sich Hilfsmaßnahmen eher finanzieren. (bpb, 2023)

Neben der kontinuierlich wissenschaftlichen Erforschung der Klimakrise ist die Aufklärung der Bevölkerung ein weiterer fundamentaler Schritt zur Umsetzung von Klimagerechtigkeit. Denn Entscheidungen zugunsten einer klimaneutralen Welt haben Einfluss auf das Leben der Bevölkerung. Jene Entscheidungen sollen in Demokratien transparent und nachvollziehbar erfolgen. Die Vermittlung und Aufklärung rund um den Klimawandel ist also unter anderem eine zentrale Aufgabe der Demokratiebildung und mit einer großen Verantwortung verbunden. Nicht nur Medien, sondern auch Bildungseinrichtungen tragen die Verantwortung, wahrheitsgetreu und konstruktiv zu berichten. So, wie jede*r sich der Folgen und Lösungsmöglichkeiten bewusst sein sollte, um daraus für sich und das gemeinschaftliche Wohl Konsequenzen ziehen zu können, so sollten Museen als Bildungseinrichtungen Menschen unterstützen, Hilflosigkeit in Handlung umzuwandeln. Und diese Verantwortung zeigt sich schon in der simplen Entscheidung über diese gewaltige Gesellschaftsaufgabe zu sprechen. Je mehr Menschen, Institutionen und Medien konstruktiv darüber sprechen und aufklären, desto besser können wir dieser Gesellschaftsaufgabe auch gemeinsam nachkommen.

Die Ausstellung „Von Zwentendorf zu CO2“ ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie Museen einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Demokratiebildung leisten können. Museen tragen also genauso Verantwortung im Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Sie erhalten unser gesellschaftliches und kulturelles Erbe, vermitteln Wissen und regen den Diskurs über historische sowie aktuelle Themen an. Museen sollten sich also der Verantwortung in ihrer Funktion als Vorbild bewusst werden, um so Impulse für eine bessere Zukunft zu geben. Um Impulse für eine bessere Zukunft zu geben, sollten Museen sich also der Verantwortung in ihrer Funktion als Vorbild bewusst werden.

Durch den Auftrag, das Kunst-, Natur- und Kulturerbe für zukünftige Generationen zu bewahren, unterliegen Museen grundsätzlich einem nachhaltigen Grundgedanken. Konkrete Ziele von Museen können also sein, das Nachhaltigkeitsbewusstsein zu fördern und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken sowie das Demokratieverständnis und die Partizipationsfähigkeit auszubauen. (Deutscher Museumsbund, 2023)

Und auch beim partizipativen Gestaltungspunkt hat das Ausstellungskonzept überzeugt:

Die Ausstellungsbesucher*innen konnten sich selbst einbringen und zu Wort kommen. Denn in einem Teil der Ausstellung gab es ein Einsprechtelefon, in welches die Besucher*innen von ihren eigenen Erfahrungen und Gedanken berichten konnten. Das reichte von eigenen Geschichten aus den 80ern bis zur aktuellen Stimmungslage, welches nicht selten mit Frustrationen und einem Gefühl der Hilflosigkeit verbunden war – ein “geteiltes” Gefühl, sowohl bei Aktivist*innen und Nicht-Aktivist*innen, könnte man schon fast sagen. Über die Dauer der Ausstellung wurden die Beiträge in einer weiteren Hörstation ergänzt und anschließend als Archiv angelegt. So können die Aufnahmen in Zukunft zu Forschungszwecken genutzt werden.

Die Ausstellung zeigte also neben den Entwicklungen der Klimaschutz-Bewegungen, wie diese auch mit demokratiepolitischem Aktivismus und dessen Wirksamkeit zusammenhängen.

Über den Ausstellungsbesuch hinaus wurden für diverse Besucher*innengruppen Führungen und Workshops angeboten. Darunter zum Beispiel Schüler*innen zwischen 11 und 18 Jahren, Studierende der Universität für Angewandte Kunst, Lehrlingsklassen oder Parteimitglieder der Grünen Österreich. Vor allem in den Workshops wurden aktuelle Themen rund um die Klimakrise diskutiert und die eigene Haltung in Bezug auf Klimaaktivismus besprochen. Daraus entstanden dann eigene Protestplakate bis hin zu Podcastfolgen, in welchen vorwiegend die Lehrlingsklassen Berührungspunkte von Klimaschutz in ihrer Ausbildung thematisierten. Die Themen reichten von Ernährung, Transport, Pflanzenschutzmittel bis hin zu Grundwasserverschmutzung in den Ausbildungsbereichen der Gastronomie, Fahrzeugmechatronik sowie des Garten- und Landschaftsbaus.

Um die vielschichtigen und umfassenden Zusammenhänge des Klimawandels zu veranschaulichen, wurde in den Workshops das Modell des sozialen Metabolismus herangezogen. Dieser Begriff wurde vor allem von der Sozialökologin Marina Fischer-Kowalski geprägt und umfasst den physischen Stoffwechsel zwischen Gesellschaft und Umwelt.

Ein Blick auf die Geschichte des Umweltaktivismus zeigt deutlich, dass Aktionen wie die der Letzten Generation keineswegs neue Entwicklungen sind. Es sind lediglich andere Methoden des Protests. Die Ausstellung zeigte aber auch, dass Umweltbewegungen vielschichtige Gruppen, Interessen und Formate umfassen. Auch wenn die Aktionen, von denen in der Ausstellung berichtet wurden, erfolgreich waren und somit wertgeschätzt werden, wird deutlich, dass es einfach nach wie vor nicht schnell genug voran geht. In vielen Aspekten stehen wir nach 30 Jahren immer noch vor denselben Problemen und die Komplexität an Herausforderungen wird nicht weniger anspruchsvoll. Je länger konkrete Lösungen hinausgezögert werden, desto kleiner wird auch der Spielraum, um aus geeigneten Lösungen auszuwählen. Gleichzeitig soll uns die Ausstellung ermutigen und zeigen, was man von den früheren Generationen an Klimaaktivist*innen lernen kann, um so Anstoß für weitere Aktionen im Kampf gegen den Klimawandel und für Klimagerechtigkeit zu geben. Genau hier sollten Museen ansetzen: Die Verbindung aus Altem und Neuem schaffen, aus der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft lernen, Geschichte und Geschichten erzählen, um Verständnis zu fördern und gemeinsam voranzukommen.
L.R.

Quellen

Bildung, Bundeszentrale für politische. „Klimagerechtigkeit“. bpb.de, 17. März 2023, https://www.bpb.de/themen/klimawandel/dossier-klimawandel/515255/klimagerechtigkeit/.

Deutscher Museumsbund e.V. „Leitfaden Klimaschutz und Nachhaltigkeit“, Mai 2023, https://www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2023/05/dmb-leitfaden-klimaschutz.pdf

Heitfeld, Marie. „Als es uns gelungen ist, unsere Erde zu retten...und als wir verpasst haben, die Klimakrise zu bremsen.“ Germanwacth e.V., Februar 2019, www.germanwatch.org/de/17062

Rickert, Andreas. Wie der Klimaschutz die Demokratie stärkt. 18. Juli 2023, https://www.rnd.de/wirtschaft/wie-der-klimaschutz-die-demokratie-staerkt-UL3QNSDLORGQNFC2MDGCOSDWJY.html.

Schrader, Christopher. „Über Klima sprechen: das Handbuch.“ oekom verlag, 2022.

Bei Anmerkungen oder zum Austausch, wenden Sie sich gerne an germany@museumsforfuture.org
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