MFF Germany

#21 Sich ehrlich machen. Greenwashing und Museen

Credits: Unsplash, Joël de Vriend, 2019
Immer wieder wird über Greenwashing gesprochen. Was das ist, was Luisa Neubauer dazu sagt und was Museen dagegen tun können, behandeln wir in dieser Klimakolumne.

„Die Welt brennt und anstatt Löschwasser zu holen, holt man grüne Farbe raus.“ Luisa Neubauer.

Siemens, Audi und die Deutsche Bank, H&M und Decathlon. Nur ein paar hat Luisa Neubauer bei ihrer Keynote auf dem OMR Festival für digitales Marketing im Mai 2023 genannt: Firmen, die die Verbraucher*innen im Glauben lassen, mit ihren Produkten etwas Gutes zu tun und damit aber nur noch viel Schlimmeres fürs Klima anrichten.

Das Fiese dabei ist, dass man damit das hart erarbeitete Klima-Bewusstsein der Menschen für die eigenen Profite manipuliert. Das ist nicht nur unfair, sondern auch unmoralisch. Zum Glück tut sich da gerade etwas. Neben immer mehr Klagen und öffentlichen Greenwashing-Vorwürfen, beispielsweise gegen H&M und Decathlon, hat die Europäische Kommission gemeinsame Kriterien gegen falsche Marketing-Versprechen vorgeschlagen. Verbraucher*innen sollen dadurch größere Klarheit und Sicherheit über das bekommen, was Unternehmen als umweltfreundlich verkaufen. Werbeaussagen wie „T-Shirt aus recycelten Kunststoffflaschen“, „klimaneutraler Versand“, „Verpackung zu 30 % aus recyceltem Kunststoff“ oder „ozeanfreundlicher Sonnenschutz“ sowie der Wildwuchs öffentlich und privater Umweltzeichen sollen zukünftig unabhängig überprüft und anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse belegt werden.

Dies lässt hoffen, dass sich auf politischer und wirtschaftlicher Ebene etwas tut – doch wird das alles viel zu lange dauern. Luisa Neubauer nennt einen Lösungsvorschlag: „Macht da nicht mehr mit.“ Wer es kann, sollte kündigen und seine Energie, seine Kreativität, seine Visionen in ehrliche Firmen stecken, die wirklich etwas verändern möchten. “Lasst uns Menschen die Bühne geben und unterstützen, die mutig voranschreiten, die echte Veränderung fordern und jene, die es auch wirklich tun oder getan haben.” so Luisa Neubauer. Laut IPCC ist dieses Jahrzehnt absolut entscheidend dafür, wie Lebewesen die nächsten Jahrtausende auf diesem Planeten verbringen werden. Später werden wir uns alle fragen: Wo war ich? Wie habe ich gehandelt? Habe ich alles getan, was ging? Es ist besser, früher zu handeln, als zu spät, um sich eben nicht mit diesen Fragen konfrontieren zu müssen und um jetzt und gemeinsam ins Handeln kommen zu können.

Viele Museen nehmen ihre Rolle beim Klimaschutz bereits sehr ernst. Sie messen ihren CO2-Fußabdruck, um zu schauen, welche Maßnahmen sie ergreifen müssen, um ihren CO2-Ausstoß zu senken. Doch ist diese Anstrengung nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir wissen, wo die eigentlichen Probleme liegen, nämlich bei den großen Ölkonzernen, Punkt aus. Das Ganze wird noch ernüchternder, wenn Luisa Neubauer nebenbei erwähnt, dass CO2-Rechner von den Ölkonzernen selbst entwickelt und herausgebracht wurden, um uns vom eigentlichen Problem abzulenken und das Problem sogar auf uns zu übertragen.

Dennoch ist es wichtig und absolut unterstützenswert, dass sich Museen auf den Weg machen, ihren, übrigens nicht unerheblichen, CO2-Fußabdruck zu verkleinern und Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz umsetzen – jede*r kann etwas beitragen, auch die Kultur und damit auch die Museen. Außerdem haben Museen durch eine Klimabilanz schwarz auf weiß, wie viel Emissionen sie ausstoßen und können mit neuen Argumenten, und zwar für den Klimaschutz, bei ihren Trägern Maßnahmen beispielsweise für eine klimaneutrale Anreise zum Museum oder die längst überfällige energetische Sanierung am Gebäude durchsetzen. Die meisten Länder, Kommunen und Städte haben bereits eine Klimaschutzstrategie, auf die sich jedes Museum beziehen kann. Dadurch bekommen Museen nicht nur Klimaschutzmaßnahmen einfacher durchgesetzt, sie tragen gleichzeitig auch im kleinen Rahmen zur nachhaltigen Transformation des Verkehrs- oder Bausektors bei und können so durch ihr Handeln auf die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft einwirken.

Denn CO2 zu messen ist nicht alles. Wichtiger für alle Menschen und auch die Museen ist der ökologische Handabdruck. Luisa Neubauer formuliert es so: „Die Klimakrise liegt nicht auf unseren Schultern, sondern auch in unseren Händen.“ Wir sollten uns fragen: Was machen wir mit unserer Kraft? Mit unseren Visionen? Was tun wir denn den ganzen Tag? Das sind die wichtigen Fragen, die wir uns in diesen Jahrzehnten stellen müssen.

Wenn Museen Klimaschutz (und die derzeitige Klimakrise) als das neue Normal ansehen, dann brauchen sie auch keine Angst mehr vor Greenwashing zu haben. Denn dann denken sie Klimaschutz in allen Prozessen mit, kaufen nachhaltig, machen sich Gedanken über Wiederverwertung ihrer Ausstellungsarchitektur, denken über klimaverantwortliche Mobilitätskonzepte nach usw. Museen können viel im Bereich Klimaschutz machen, keine Frage. Aber vor allem sind sie Orte der Bildung, der Neugier, des Austauschs und der Öffentlichkeit. Und in dieser Rolle steckt mehr Potenzial, als man denkt.

Museen können durch ihre Ausstellungen positive Zukunftsvisionen zeigen, Problem-, Handlungs- und Effektivitätswissen rund um das Klima vermitteln und die Besucher*innen zum eigenen Handeln ermutigen. Durch ihre Außenwirkung tragen Museen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft und sollten diese auch nutzen. Eine Mitgliedschaft bei Museums For Future ist eine Möglichkeit, wie Museen über ihr Engagement zum Klimaschutz kommunizieren können. Doch dazu gehört auch eine offene und absolut transparente Kommunikation – und zwar über alles: Erfolge, Fehlschläge, Zielkonflikte, Ängste, Sorgen, Hindernisse, alles.

„Wenn wir uns in aller Ehrlichkeit der Wirklichkeit stellen und die Krisen als das anerkennen, was sie sind, und wenn wir in aller Ehrlichkeit auf unsere eigene Rolle schauen, die wir darin spielen und bisher gespielt haben, dann ist das kein Moment der Verzweiflung, sondern ein Moment der Befreiung. Sobald wir uns ehrlich machen über die Welt, in der wir navigieren, dann können wir auch loslegen, für echte Lösungen einstehen und echte Lösungen berühmt machen. Es wird sich lohnen.“ so Luisa Neubauer.

Wir brauchen echten und ehrlichen Klimaschutz, wenn wir Kulturgüter für derzeitige und kommende Generationen erhalten wollen. Wir versprechen: Es wird sich lohnen, aktiv zu werden.

SH



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