MFF Germany

#10 Restaurator*innen = Klima-Superheld*innen?

Wir Restaurator:innen haben es schon “nicht einfach”. Durch unsere interdisziplinäre Ausbildung und Arbeit bewegen wir uns wie Hybride zwischen Naturwissenschaften, Handwerk, Leihverkehr, Kunstgeschichte, Ausstellungen, Katastrophenplänen, Depots und einer sich schier unendlich fortsetzenden Aufgabenliste - und jetzt soll da dieses winzig kleine, den gesamten Globus umspannende, hyperkomplexe Problem der Menschheitsgeschichte “Klimakrise” auch noch oben drauf. Danke, genau das was wir brauchen - noch mehr Aufgaben und noch mehr Verantwortung.
Und wir sind da ganz bei Ihnen: Restaurator:innen und Museen brauchen nicht noch mehr zusätzliche Aufgaben als sie sowieso schon haben. Aber handelt es sich denn wirklich um eine weitere zusätzliche Aufgabe? Laut ICOM Deutschland haben “Museen und ihre Träger [haben] die Aufgabe, das materielle und immaterielle Natur- und Kulturerbe zu schützen und für die Gesellschaft dauerhaft zugänglich zu machen.”[1] Restaurator:innen tragen durch ihre Arbeit zu dieser Aufgabe ganz erheblich bei, vor allem, wenn man sich zu unserem Berufsbild über den Verband der Restauratoren informiert: “Kunstwerke und Kulturgüter stiften Identität und geben uns einen lebendigen Einblick in die Vergangenheit. Sie zu schützen und für die Nachwelt zu bewahren, ist die besondere Aufgabe der Restauratoren.” [2] Und wenn Sie viele Restaurator:innen fragen, dann können diese Ihnen bestätigen, dass es trotz - manchmal aber auch gerade wegen - der zu Beginn beschriebenen Aufgabenvielfalt eine wirklich schöne und sinnstiftende Aufgabe ist. Dabei ist es gleich ob im Kleinen oder Großen, von der Sicherung von Malschichtschollen, Konservierung von Grabungsfunden oder Erhaltung massiver Bauwerke. 
Sehen wir uns um, können wir neben den Herausforderungen im “Kleinen” auch erkennen, wie schwer die Klimakrise uns die Erfüllung der uns vertrauten Aufgaben bereits heute macht: Jahrhundertfluten, die Großstädte wie Dresden und damit auch wichtige Museen und ihre Depots mit unschätzbaren Kunstwerken unter Wasser setzen; die Flutkatastrophe im Juli 2021, der Menschen, historische Baustrukturen und vieles mehr zum Opfer gefallen sind. Und das sind nur zwei Beispiele aus Deutschland, weltweit sind diese Ereignisse keine Seltenheiten. Klimakrise bedeutet, dass wir damit rechnen müssen, dass diese Art von Wetterextremen (Fluten, Starkregenereignisse, Waldbrände, Stürme etc.) in Ihrer Häufigkeit und Intensität mit jedem zusätzlichen Zehntel Grad globaler Erderwärmung noch weiter zunehmen werden. Wir Menschen haben bereits eine neue, instabile, gefährlichere Realität geschaffen, mit der wir schnell lernen müssen umzugehen, dort wo wir das überhaupt noch können. Klimakrise bedeutet aber nicht nur, sich auf Naturkatastrophen vorzubereiten, sondern kann, je nach Region, viele unterschiedliche Gefahrenformen annehmen. Wertvolle Einblicke zu den Auswirkungen des Klimawandels auf historische Gebäude und Sammlungen, die sie beherbergen liefert Dr. Johanna Leissner (Fraunhofer-Gesellschaft) mit dem EU-geförderten Projekt “Climate for Culture” (2009-2014). [3] Ihre Ergebnisse und Modellierungen, die bis in das Jahr 2100 reichen, zeigen eindeutige Tendenzen, dass beispielsweise Innenraumtemperaturen in historischen Gebäuden stark ansteigen können (z.B. bis auf 45-50°C in einer Kathedrale in Gent), oder dass das Risiko von Schimmelbildung in Regionen mit höherem Niederschlag erhöht ist und sich Insektenarten, die schädlich für Kulturgüter sein können, in den Norden ausbreiten usw. [4] Es wird also klar, auch wenn es bereits gute Vorarbeit zum Kulturgüterschutz, v.a. für bereits eingetretene Katastrophenfälle in Deutschland gibt, dass das aktuell vorhandene Bewusstsein für die Gefahrenlage bei weitem nicht ausreichend ist.
Es besteht kein Zweifel, dass Restaurator:innen mit den Folgen der Klimakrise kämpfen und bei den Vorbereitungen darauf stark involviert sein müssen. Warum sind unsere Stimmen und Fähigkeiten aber nicht nur bei den Klimaanpassungsmaßnahmen, sondern auch der Prävention gefragt? Warum könnten genau Restaurator:innen die Klimasuperheld:innen sein, die die Museumslandschaft braucht um die Klimakrise in den Museen greifbar zu machen? So könnte eine unserer einfachen Botschaften lauten: Wenn wir Kulturgut wirklich schützen möchten, müssen wir aktiv auch das Klima schützen. Was befähigt also gerade Restaurator:innen dazu authentische Botschafter:innen für mehr Klimaschutz zu sein?
Ausbildung und Studium statten Restaurator:innen mit wissenschaftlichen und handwerklichen Kenntnissen aus: Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen (direkte Maßnahmen am Objekt) und Präventive Konservierung (Umgebungsbedingungen, die zum Objekterhalt beitragen), um dieser Aufgabe bestmöglich gerecht zu werden. Je nach Alter der Objekte tauchen wir in Jahrhunderte von Geschichte und Material ein, analysieren Vergangenes, beobachten Gegenwärtiges und evaluieren Zukünftiges. Uns wird beigebracht in Jahrhunderten zu denken - eine Fähigkeit, die nicht viele Berufsgruppen, vor allem nicht in ähnlicher praktischer Anwendung für sich behaupten können. Wenn wir also jetzt schon bei Entscheidungen über die Beständigkeit und Reversibilität von Klebemitteln in “Jahrhundertmaßstäben” denken, dann müssen wir realistisch gesehen auch darauf schauen, wie die Welt in 50 oder 100 Jahren aussehen wird. Unter Anderem dieser Weitblick, genauso wie das naturwissenschaftliche Grundverständnis, befähigen gerade Restaurator:innen dazu die Tragweite der Klimakrise im kulturellen Kontext greifbarer und nachvollziehbarer zu machen. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Debatte um Klimaschutzmaßnahmen, den vielleicht gerade Restaurator:innen besonders gut nachvollziehen können, ist, dass wir lange forschen, beobachten und diskutieren können, wir aber theoretischen Zielen auch Entscheidungen und praktische Maßnahmen folgen lassen. Wir wissen, die Entscheidung ein Objekt im Boden zu belassen hat Konsequenzen, die Entscheidung die Parkettierung eines Holztafelgemäldes zu belassen hat Konsequenzen und wir wissen auch nicht zu Handeln ist eine Entscheidung und hat damit Konsequenzen. Genau so verhält es sich auch mit der Klimakrise: Wenn wir weiter nur reden, nichts oder nicht genug tun, dann ist auch das eine Entscheidung und diese Entscheidung wird Konsequenzen für die Kulturgüter in unserer Obhut, für die Stabilität des Ökosystems Erde und für Menschen und Kulturen weltweit haben.
Um Ihnen dabei zu helfen bei der Umsetzung vom Reden ins Handeln zu kommen, haben wir hier 10 simple Maßnahmen für Restaurator:innen [5] zusammengestellt. Tragen auch Sie dazu bei, Restaurator:innen zu Klimasuperheld:innen werden zu lassen!


Anna Krez

[1] https://icom-deutschland.de/de/icom-deutschland/handlungsfelder.html vom 14.2.2022.
[2] https://www.restauratoren.de/beruf/ vom 14.2.2022.
[3]https://www.deutschlandfunkkultur.de/klimawandel-und-kulturerbe-kein-bewusstsein-fuer-die-100.html vom 17.2.2022.
[4] https://www.youtube.com/watch?v=ezgc2SUlj94 vom 17.2.2022. (Auszüge)
[5] https://museumsforfuture.org/10-simple-actions-for-conservators vom 17.2.2022.

Bei Anmerkungen oder zum Austausch, wenden Sie sich gerne an germany@museumsforfuture.org



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