Museen, die sich dafür entscheiden, ein Museum For Future zu werden, verpflichten sich nach Punkt 3 unserer Deklaration dazu, konkrete Maßnahmen zu planen und umzusetzen, um bis 2040 klimaneutral zu werden.[1] Häufig scheitert dieses Vorhaben schon bevor es wirklich begonnen hat: Wo anfangen? Wie umsetzen? Wer kann helfen? In der Museums- und Ausstellungsbranche gibt es bereits viele Leuchttürme, die sich Klimaneutralität auf ihre Fahne geschrieben haben: Die Tate Modern hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen und seitdem kleine und große Maßnahmen umgesetzt, die documenta 2022 wird vermehrt Fokus auf den Klimawandel legen und in der Monopol fordern Museumsdirektor:innen, Wissenschaftler:innen und Kunstschaffende in einem offenen Brief einen Green Deal für die Kulturbranche.[2]
Dass die Kultur eine wesentliche Rolle in der Klimakrise spielt, dürfte mittlerweile (fast) jedem bekannt sein. Kulturbetriebe sind nicht nur aufgrund ihrer Außenwirkung und Tragweite wesentliche Mittler einer sozial-ökologischen Transformation, sondern auch wesentlich an der Produktion von CO2 beteiligt. Welche tragende Rolle die Museen dabei spielen, zeigt eine Grafik der Londoner Initiative Julie’s Bicycle: während Museen nur 8% der gesamten Kulturlandschaft ausmachen, sind sie für rund 40% des gesamten kulturellen CO2-Ausstoßes verantwortlich.[3] Schaut man in die Ergebnisse des Pilotprojekts “Klimabilanzen in Kulturinstitutionen”[4] der Kulturstiftung des Bundes, bei der 19 Kulturinstitutionen eine Klimabilanz aufgestellt haben, darunter auch 5 Museen, sieht man, dass die größten Emissionen bei Museen unter anderem beim Transport, den Dienstreisen und der Klimatisierung von Ausstellungs- und Depotflächen zu verzeichnen sind — Veränderung ist gefragt und wird mittlerweile auch erwartet, wenn man als Museum wettbewerbsfähig bleiben möchte.
Bislang gibt es allerdings kaum konkrete Gesetze, die Museen dazu verpflichten, klimaneutral zu handeln. Die politische Lage beschränkt sich allenfalls auf ein “wohlgemeintes Mitdenken” der Kultur in der Klimakrise oder Richtlinien, an denen man sich orientieren kann — aber eben nicht muss.
Blicken wir auf die globale Ebene, die Agenda 2030. Als Weiterentwicklung der sogenannten Millenium Goals ist diese Richtlinie im Jahr 2015 als Agenda 2030 von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen unterzeichnet worden, darunter auch Deutschland. Mit den 17 Sustainable Development Goals (SDG) setzt sie heute die wichtigste Leitlinie zur nachhaltigen Entwicklung, allerdings ohne konkrete Handlungsaufforderungen für einzelne Sektoren.[5] Auf der EU-Ebene haben sich im Zuge des “European Green Deal” alle 27 Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden und die Umweltverschmutzung einzudämmen.[6] Seit der Verabschiedung des EU Green Deals entstehen immer mehr europäische Verordnungen, die Unternehmen eine nachhaltige Wirtschaftsweise vorgeben. Auch wenn das (bislang) nicht die Kulturinstitutionen trifft, so ist eines klar: alle Sektoren müssen ihre Verantwortung übernehmen und CO2-Emissionen reduzieren. Deutschland hat 2001 den Rat für Nachhaltige Entwicklung (kurz RNE oder Nachhaltigkeitsrat) eingerichtet, der sich unter anderem um die Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie kümmert. Diese wurde 2002 ins Leben gerufen und orientiert sich heute an den internationalen Zielen der Agenda 2030. Seit 2016 beinhaltet sie auch kulturpolitische Aussagen.[7] Hier wird es mit Blick auf die wirtschaftliche Lage von Kulturinstitutionen spannend: mit dem Fonds „Nachhaltigkeitskultur“ hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung Fördermittel für innovative und transformative Projekte aus unterschiedlichen Bereichen der Alltagskultur eingerichtet.[8] Fokussieren wir unseren Blick noch weiter auf Deutschland, dann kommen wir zu einem konkreten Gesetz, das 2019 von der Bundesregierung verabschiedet und 2021 novelliert wurde: Das Bundes-Klimaschutzgesetz. Die Novellierung des Gesetzes fand aufgrund einer Klage statt, an der auch Anhänger:innen der Fridays-For-Future-Bewegung beteiligt waren. Das Bundesverfassungsgericht hat daraufhin die Bundesregierung aufgefordert, das Gesetz im Sinne der Rechte der jungen Generation zu überarbeiten. Laut dem neuen Gesetz muss Deutschland die Klimaneutralität bis 2045 (ehemals 2050) erreicht haben. Die Aufgabe zur Erreichung der Klimaneutralität ist in die Hände der Ministerien gelegt. Diese müssen ein Programm erarbeiteten und jährlich Maßnahmen entwickeln, um die Ziele des Klimaschutzgesetzes zu erreichen. Aufgrund des Sonderstatus der Beauftragten für Kultur und Medien ist diese bislang nicht zur Einhaltung des Klimaschutzgesetzes verpflichtet,[9] aber auch hier ist die Richtung klar: wollen wir das Klimaschutzziel einhalten, so werden alle Sektoren ihren Beitrag leisten müssen. Die derzeitige Regierungsbildung macht es spannend, was diesbezüglich im Kulturbereich passieren wird.
Fassen wir hier kurz zusammen: Es gibt Richtlinien, an denen man sich orientieren kann, wie die Agenda 2030 oder die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Allerdings gibt es kaum konkrete Gesetze, die Kulturbetriebe dazu verpflichten, nachhaltiger zu werden. Diese Tatsache macht es für motivierte Mitarbeiter:innen schwer, Nachhaltigkeitsziele im Unternehmen durchzusetzen, da der offizielle „Druck von oben“ fehlt. Dass man als Museum durchaus eine politische Haltung beziehen und selbst Maßnahmen entwickeln kann, haben wir bereits in der Klimakolumne #4 „Museen und Klimapolitik“ erörtert.[10] Zudem sehen wir aber auch, dass die Politik immer stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit legt und immer mehr Unternehmen dazu verpflichtet, zum Beispiel eine Nachhaltigkeitsberichterstattung abzugeben oder nachhaltiger zu wirtschaften. Bislang treffen offizielle Gesetze die Kulturbranche kaum, es könnte aber sein, dass dies sehr bald der Fall sein wird. Ein Beispiel ist die Novellierung des Filmförderungsgesetz, nach dem ab 2022 Filmproduktionen dazu verpflichtet sind, ökologische Maßnahmen zu ergreifen und eine Klimabilanzierung zu erheben. Warum könnte ein ähnliches Gesetz nicht auch bald für Ausstellungen gelten?! Damit zu beginnen, Nachhaltigkeit schon jetzt in seine Unternehmenskultur zu integrieren, ist somit nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich und rechtlich gesehen das Richtige, auch um auf die Verschärfung der Kulturpolitik in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit vorbereitet zu sein. Dabei reicht es nicht aus, dem Thema nur öffentlich Aufmerksamkeit zu geben und Richtlinien abzunicken. Veränderungen müssen konkret politisch gefordert, unterstützt und implementiert werden. So gibt es bereits Fördermöglichkeiten, die Kulturinstitutionen wie Museen nutzen können. Zum Beispiel die „Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative“, kurz auch die “Kommunalrichtlinie”. Vor allem Städte, Gemeinden und Landkreise, aber auch kommunale Unternehmen, soziale oder kulturelle Organisationen können hier Anträge stellen, um Klimaschutzmaßnahmen im Betrieb zu etablieren. Diese Möglichkeit können öffentlich geförderte Museen für sich nutzen, um beispielsweise auf LED-Beleuchtung im Haus umzustellen oder andere Maßnahmen zur CO2-Reduktion umzusetzen.[11]
Auch viele Bundesländer und Kommunen haben sich Klimaziele gesetzt und diese in einer Nachhaltigkeitsstrategie verankert. Eine einfache Suche im Internet führt meist direkt auf die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes und dort auf konkrete Fördermöglichkeiten. Ein Beispiel für eine solche Fördermöglichkeit ist das „Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung“ (BENE), das von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz initiiert wurde.[12] Des Weiteren wurde in Baden-Württemberg seit September 2021 der Klimadialog „Green Culture“ initiiert, in dem die Kunststaatssekretärin Petra Olschowski die Kunst- und Kulturinstitutionen dazu aufruft, ökologische Nachhaltigkeit als konsequentes strategisches Ziel zu verfolgen. Bis Sommer 2022 soll ein Maßnahmenkatalog erarbeitet werden, der Kultureinrichtungen konkrete Handlungsempfehlungen zur ökologisch-nachhaltigen Transformation an die Hand gibt.[13] Ein Fokus wird hier vor allem auf die Vernetzung der Kultureinrichtungen untereinander gelegt, denn eine nachhaltige und zügige Transformation ist vor allem durch Zusammenarbeit, Dialog und gemeinsame Ideenentwicklung möglich. Weiter ist es wichtig, verstärkt das Wissen und den Wissenstransfer über nachhaltiges Handeln zu fördern. Initiativen wie das “Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit”, der “Arbeitskreis Nachhaltiges Museum” des DMB oder das neu gegründete “Institut für Zukunftskultur” liefern genau solche Netzwerke, in denen sich Museen über Best practice Beispiele oder aktuelle Entwicklungen informieren und sich bei der Maßnahmenentwicklung unterstützen lassen können.[14]
Wir haben gesehen, dass auf Bundesebene keine konkreten Gesetze existieren, die Museen zu nachhaltigem Wirtschaften auffordern. Besonders gefordert sind daher jetzt die Kommunen und der Länder. Kulturinstitutionen können hierbei einen großen Einfluss, vor allem auf die kommunale Politik, haben, indem sie sich zusammenschließen und gemeinsam Forderungen an die Politik stellen. Mit ihren Forderungen nach mehr Unterstützung bei der nachhaltigen Transformation können Museen ihren Einfluss auf die Politik nutzen und selbst Veränderungen herbeiführen.
Auch Museums For Future bietet hierbei eine gute Möglichkeit, Museen zu vernetzen, die sich für eine sozial-ökologische Transformation der Kulturbranche einsetzen. Zusammen können die Museen Forderungen formulieren und diese an die Politik tragen, sich über Maßnahmen zum klimaneutralen Handeln austauschen und andere damit inspirieren.
Disclaimer: In diesem Beitrag wird fast ausschließlich von den rechtlichen und politischen Hintergründen einer ökologisch-nachhaltigen Transformation von Museen gesprochen. Dies hat den Grund, dass der Beitrag sich vor allem auf Punkt 3 der Deklaration von Museums For Future bezieht, in dem die Museen aufgefordert werden, bis 2040 klimaneutral zu wirtschaften. Museums For Future möchte sich hiermit allerdings offenkundig zu einer ganzheitlichen Transformation bekennen, die auch soziale und ökonomische Aspekte mit einbezieht.
[1]http://www.museumsforfuture.org/declaration [2]Tate Modern: https://www.tate.org.uk/press/press-releases/tate-directors-declare-climate-emergency; Documenta: https://universes.art/de/documenta/2022; Monopol: https://www.monopol-magazin.de/offener-brief-klimaschutz-museum [3] Arts Council England: “Sustaining Great Art and Culture. Environmental Report 2018/19”, 2020, S. 9. [4] https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/fileadmin/user_upload/Klimabilanzen/210526_KSB_Klimabilanzen_Publikation.pdf [5]https://sdgs.un.org/goals [6]https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/fs_19_6714 [7]„Es bedarf eines kulturellen Wandels, um die Haltung und das Verhalten des Einzelnen, sozialer Gruppen und der Gesellschaften im Ganzen nachhaltig auszurichten.“ (S. 18, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie) und „Mehr berücksichtigt werden sollen ferner die spezifische Perspektive von Künstlerinnen und Künstlern und Kultureinrichtungen, sowie innovative Ansätze aus der Kreativwirtschaft, um das hierin liegende Potenzial zu Fragen einer nachhaltigen Entwicklung zu erschließen.“ (S. 45, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie) [8]https://www.nachhaltigkeitsrat.de/projekte/fonds-nachhaltigkeitskultur/ [9]Auch wenn es keine konkrete Verpflichtung für die BKM gibt, hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) am 6. November 2020 einen; Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. In diesem schrieb sie erstmalig alle politischen Aktivitäten fest, um die Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands auch in der Kultur- und Medienlandschaft umzusetzen. Quelle: www.bundesregierung.de/statisch/nachhaltigkeitsbericht-bkm/epaper/ausgabe.pdf [10] http://www.museumsforfuture.org/tpost/u6rhvjxgb1-4-museen-amp-klimapolitik [11] https://www.klimaschutz.de/kommunalrichtlinie [12] https://www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/foerderprogramme/berliner-programm-fuer-nachhaltige-entwicklung/ [13] https://mwk.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/pressemitteilung/pid/klimadialog-green-culture-gestartet-fuer-mehr-klimaschutz-in-den-kunst-und-kultureinrichtungen/ [14] Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit: https://aktionsnetzwerk-nachhaltigkeit.de/transformationsmanagement/; Arbeitskreis Nachhaltiges Museum: https://www.museumsbund.de/fachgruppen-und-arbeitskreise/arbeitskreis-ausstellungsplanung/nachhaltig-ausstellen/; Institut für Zukunftskultur: www.zukunftskultur.eu (ab 28. Oktober 2021)