MFF Germany

Diorama #6 Das grüne Museum – eine Veranstaltung, drei Erfahrungen

DREI Rucksäcke, drei Zugreisen, drei Orte und drei MFF-Mitglieder.
EIN Vortrag zum Thema „Sind Museen bereit, sich der Klimakrise zu stellen?”, erarbeitet in drei Zoom-Meetings.
EIN Ziel: Die Teilnehmenden der Tagung “Das grüne Museum” zu informieren und über die Dringlichkeit zum Handeln wachzurütteln.
Wir haben uns sehr über die Anfrage der neuen Deutschen Kongress GmbH gefreut, die die Veranstaltung „Das grüne Museum” seit 2010 gemeinsam mit Prof. Stefan Simon vom Rathgen Forschungslabor ausrichtet. Die Veranstaltungsreihe widmet sich der Frage, wie Museen nachhaltiger agieren können. Dieses Jahr war der Themenschwerpunkt „Nachhaltigkeit und Risiko. Die ökologische Transformation in Museen und Depots“. Die Tagung findet an drei verschiedenen Terminen in unterschiedlichen Städten statt, diesmal in Berlin, Köln und München. So können Teilnehmende weite Reisen vermeiden.
Wir von MFF nahmen die Anfrage gerne an und beschlossen, dass an jedem Standort jemand anderes aus dem Team vortragen würde. Wir teilten auf, wer welchen Teil einzeln schreibt und verbanden diese Teile gemeinsam zu einem großen Ganzen. Drei Zoom-Meetings später war der Vortrag fertig. Und vielleicht stinkt Eigenlob, aber manchmal ist es auch einfach angemessen: Wir sind stolz auf das Endergebnis. Bald erscheint der gesamte Vortrag online.
Im Folgenden gibt es von jedem der drei Standorte einen kleinen Einblick in die Gedanken der vortragenden Person:

Nach und in BERLIN mit Alia

30 Stunden. Was passiert da schon?
Anderthalb Mal arbeiten, duschen, einkaufen, Essen zubereiten, essen, Haushalt, um das Kind kümmern, schlafen?
Oder: schlafen, schwimmen, ein Buch lesen, essen?
Meine nächsten 30 Stunden sind viel aufregender als das.
Stunde 1 bis 6
Ich steige in den Zug. Musik an, Kopf aus? Eher: zweimal den Inhalt des Rucksacks überprüfen. Sind die wichtigen Zettel auch wirklich darin? Das Outfit vollständig? Die Snacks griffbereit?
In Berlin angekommen, besorge ich mir Abendessen und gehe zu Fuß zum Hotel – entlang der Spree, vorbei am Reichstag und dem orangefarbenen Berliner Tor. Speed-Sightseeing, sozusagen.
Stunde 7 bis 14
Vortrag durchgehen, Serie schauen, schlafen.
Stunde 15 bis 18
Bereit machen, Ankunft bei der Tagung. Alle Teilnehmenden tragen ein rotes Band mit einem Schild:
Ein Bild, das Text, Person, Im Haus, Schild enthält.

Automatisch generierte Beschreibung
Referent wird nicht gegendert? Ich denke an Ziel 5, Geschlechtergleichheit, der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Es hätte nur drei Zeichen mehr gebraucht, um alle einzubeziehen – naja, nächstes Jahr sind dann hoffentlich alle dabei.
Stunde 19 bis 26
Die Vorträge sind abwechslungsreich und gespickt mit neuen Impulsen für mehr Nachhaltigkeit im Museum. In den Pausen spreche ich mit einem Architekten und Museumsmitarbeitenden und muss feststellen: Alle sind interessiert und die Gespräche ausnahmslos positiv.
„Und nun haben wir nur noch zwei Vorträge und diese sind ein ganz besonderes Highlight! Vor allem freue ich mich, diesmal auch die aktivistische Seite begrüßen zu dürfen.“ So oder so ähnlich kündigt Prof. Simon meinen Vortrag an. Ich habe noch nie einen Vortrag außerhalb der Uni gehalten. Wieso mache ich das nochmal? Wieso muss ich die Erste sein, die diesen Vortrag hält? Hilfe. Mein Magen zieht sich zusammen. Doch ich stehe lächelnd auf und trete ans Mikrofon. Es klappt alles. Dank der grandiosen Vorbereitung mit meinen Teammitgliedern Anna und Johanna trage ich den Text flüssig und selbstbewusst vor. Der Vortrag ist in drei Teile gegliedert. Im Einstieg geht es darum, wo wir derzeit bezüglich der Klimakrise stehen, was auf uns zukommt und welche strategischen Hebel die Wissenschaft vorschlägt. Dann schlagen wir den Bogen zu der Frage, warum Museen aktiv und (vielleicht auch) aktivistisch werden sollen und enden mit der Vorstellung von Museums For Future: Wer ist das? Was sind die Ziele? Wie kann man mitMACHEN?
Am Ende des Tages sagen mir drei Personen, dass ihnen der Vortrag richtig gut gefallen hat. So stolz war ich lange nicht. Und wieder einmal der Beweis: MFF hat einen Impact – auf mein Selbstwertgefühl und auf andere. Nun müssen nur noch alle ins Tun kommen!
Stunde 27 bis 30
Zugfahrt und Zuhause ankommen.

Station 2 in KÖLN mit Johanna

Die Anfrage an MFF, einen Vortrag auf der Konferenzreihe “Das grüne Museum” zu halten, kam etwa im März diesen Jahres. Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade ein paar Wochen bei Museums For Future mit dabei. Die Vorstellung, in einem halben Jahr einen Vortrag zu halten, flößte mir ehrlich gesagt ziemlich Respekt ein. Vorträge oder Referate zu halten, waren zwar fester Bestandteil meines Studiums, aber das lag nun auch schon wieder etwas zurück. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit war die Entscheidung gefallen: und zwar für die neue Herausforderung! Ich würde also am 18. Oktober in Köln einen Vortrag halten. Dank der Unterstützung und Expertise meiner Mitstreiterinnen Alia und Anna stand ich an besagtem Tag gut vorbereitet und etwas aufgeregt auf einer Bühne im Veranstaltungssaal des Rautenstrau-Joest-Museums in Köln. Die Aufregung legte sich schnell, bei einem dankbaren Publikum, das kleine technische Pannen mit Lockerheit nahm. Etwas zurückhaltend in den direkten Nachfragen entsponnen sich nach dem Vortrag interessante Gespräche mit einigen der Zuhörer*innen. Wie transportiert man die Dringlichkeit der Krise richtig, ohne Angst zu verbreiten? Welche Missverständnisse gibt es? Wie macht man deutlich, dass es nicht um ein parteipolitisches Anliegen geht, sondern um eine Forderung, die uns alle angeht, weil sie die Zukunft aller Menschen im Blick hat? Die Antwort von Museums For Future ist klar, und um es mit den Worten von T. J. Demos zu sagen: “What we need urgently is more activism, not neutrality.”

Finale in MÜNCHEN mit Anna

Vortrag 3/3 – da kann ja gar nichts mehr schief laufen… Auch wenn ich als Mitgründerin von MFF Germany mittlerweile regelmäßig Vorträge halte, auf Podiumsdiskussionen eingeladen werde und auch Presseanfragen beantworte, ist jede Konferenz doch immer wieder anders, spannend und aufregend. Das Publikum wird von Stefan Simon mit einem unverschönten Blick auf die derzeitigen Ausmaße der Klimakrise auf Kulturgüter und Menschen in Deutschland begrüßt. Er spricht von unvernünftigen Museumsbauten und ruft uns allen ins Gedächtnis, wie wenig Zeit wir noch haben für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens bei derzeitigem Ausstoß – 5 Jahre und 8 Monate (nur falls Sie die Zahl gerade nicht parat haben: https://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.html ).
Und gleich das erste Bild zum Einstieg hat für mich gesessen: Wir alle schauen auf ein Foto, das das Kloster Benediktbeuern in Bayern nach einem 10-minütigen Unwetter Ende August 2023 zeigt. Ich war selbst vor ein paar Wochen mit dem Rad da und war schockiert: 3 Hektar Dachfläche müssen erneuert werden, 300 Fenster zerstört, Hagelkörner, die Teile der Fassade aussehen lassen wie mit Kugeln beschossen, Wasser im Gebäude – 10 Minuten vom Klimawandel geladenes Extremwetter, mehrere Millionen Euro Schäden und sicherlich jahrelange Reparaturmaßnahmen… So sieht Klimawandel in Deutschland aus und als Restauratorin und Klima-Aktivistin frage ich mich, wann das alle begreifen werden. Wann werden wir uns alle mal fragen: Was ist, wenn das nächste Unwetter schneller kommt, als wir reparieren und restaurieren können? Wann verstehen wir, dass aktiver Klimaschutz auch Kulturgüterschutz bedeutet?
Auf die nächste Achterbahn der Gefühle schickt uns der humorvolle und radikal ehrliche Beitrag von Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhauses. Er spricht über die manchmal dominierende Orientierungslosigkeit in diesem großen Transformationsprozess zu einem nachhaltigen Museum und die „Fehler”, die man dabei nicht nur mit Bienen auf dem Dach machen kann. Mindestens genauso beeindruckend waren die Perspektivwechsel, zu denen die folgenden Vortragenden eingeladen haben: Elisabeth Endres von der TU Braunschweig (“Bauen für das kulturelle Erbe von morgen – Chance der Herausforderung”), Bettina Leidl vom Museumsquartier Wien (“Das Österreichischen Umweltzeichen – Der Weg zum grünen Museum”) und Tanja Kimmel von der Universität für Angewandte Kunst Wien (“Alles im grünen Bereich!? Die CO2-Bilanz des KHM-Zentraldepots”). Beeindruckende Forscherinnen und Kolleginnen, die unterschiedlichste Wege zur Umsetzung aufgezeigt haben.
Ich habe mich gefreut über den Austausch und darüber, wie viele Ansatzpunkte und Motivation zum Handeln sowohl im Museumssektor als auch bei industriellen Partnern (die auch vertreten waren) da ist und freue mich noch mehr, gemeinsam ins Machen zu kommen.
Wir danken dem Grünen Museum für die Einladung und blicken gespannt auf das nächste Jahr, in dem „Vermittlung heute – Vermittlung zwischen Inklusion, Partizipation und Teilhabe“ im Fokus steht.

Johanna Gebhardt, Anna Krez, Alia van den Berg

Hier der Link zum vollständigen Veranstaltungsprogramm:
https://www.deutsche-kongress.de/wp-content/uploads/2022/05/DGM-Broschuere-August-2023.pdf
Bei Anmerkungen oder zum Austausch, wenden Sie sich gerne an germany@museumsforfuture.org
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