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Klimakolumne #26 Türen auf oder zu? Weshalb Öffnungszeiten politisch sind und Auswirkungen auf Klima und Nachhaltigkeit haben

Credits: Masaaki Komori, unsplash
Anfang März machten die Staatlichen Museen zu Berlin Schlagzeilen. Nicht etwa aufgrund ihrer Ausstellungen, sondern wegen etwas vermeintlich Banalem: ihren Öffnungszeiten. Denn ab dem 16. April werden einige der Häuser nicht nur montags schließen, sondern zukünftig auch dienstags. An den anderen Wochenarbeitstagen endet der mögliche Ausstellungsbesuch eine Stunde eher als gewohnt – um 17 Uhr. Grund ist die angespannte Haushaltslage der Bundesregierung und somit auch der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM), die Geldgeberin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und damit auch der Staatlichen Museen zu Berlin.

Überlegen wir doch zunächst, was an verkürzten Öffnungszeiten problematisch sein könnte: Wenn Museen weniger geöffnet haben, öffnen sie sich weniger der Öffentlichkeit. Dieser etwas verquere Satz, der gleichzeitig das Offensichtliche zusammenfasst, meint folgendes:

Die Zivilbevölkerung erhält weniger Chancen, sich in einen Diskurs einzubringen und sich im Museum als ‘dritten Ort’ aufzuhalten. Als ein solcher Ort stellen Museen in manchen Fällen eine Zuflucht dar, allemal sorgen sie für Austauschmöglichkeiten, Abwechslung vom Alltag und bieten bestenfalls neue Perspektiven. Museen stehen der ICOM-Definition zufolge im Dienst der Gesellschaft und sind öffentlich zugänglich – nun ja, bis man also bald vor verschlossenen Türen steht. Der Großteil der deutschen Museen hat von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Diese Zeiten sind wir so gewohnt, dass viele Menschen nicht zuvor überprüfen, ob es anders sein könnte. Oder zumindest geht es mir so, denn ich musste bereits zweimal wieder nach Hause fahren, als ich das Museum in meinem Wohnort besuchen wollte. Das Haus hat einfach zu ungewöhnliche Öffnungszeiten am Wochenende: samstags erst ab 14 Uhr, sonntags ab 12 Uhr.

Verkürzte Öffnungszeiten ziehen also zum Teil negative Folgen nach sich. Stellen Sie sich nur einmal die Tourist:innen in Berlin vor, die zukünftig vor verschlossenen Türen stehen. Wir dürfen nicht vergessen: Je weniger ein Museum geöffnet hat, desto weniger Menschen können es besuchen. Desto weniger Chancen ergeben sich, wichtige Inhalte und Impulse an die Besuchenden weiterzugeben. Desto weniger Partizipation wird ermöglicht.

Doch verkürzte Öffnungszeiten bieten auch Chancen, und zwar im Sinne der Nachhaltigkeit. Es liegt auf der Hand, dennoch haben wir das Gefühl, dass die Staatlichen Museen diesen Aspekt nicht einmal wahrnehmen: Je weniger ein Museum geöffnet hat, desto weniger Energie verbraucht es.

Die Sanitäranlagen verbrauchen in den Schließzeiten kein oder weniger Wasser und auch Strom wird eingespart, wenn die Beleuchtung nicht an ist, außerdem muss die Klimaanlage weniger arbeiten, weil es keine Besuchenden gibt, die für eine Erwärmung der Räumlichkeiten sorgen bzw. für die extra geheizt werden muss.

Und noch ein weiterer Aspekt: Kassenpersonal oder Aufsichten sitzen nicht ‘sinnlos’ im Museum, weil stundenlang keine oder kaum Besuchende kommen. Wird mit der Anpassung der Öffnungszeiten also auch die soziale Nachhaltigkeit gefördert? Denn die Schließzeiten können die Mitarbeitenden anders nutzen: für einen weiteren Nebenjob, für Freizeit, für Termine.

Pro Woche haben die betroffenen Museen bald um die 13 Stunden weniger geöffnet – dies mag nicht übermäßig viel erscheinen, bedeutet aber 27% geringere Öffnungszeiten!

Die gute Nachricht ist, dass die Öffnungszeiten zwar verringert werden, aber sich damit auch generell an Besuchendenströme anpassen sollen. Beispielsweise wird die Alte Nationalgalerie während der Sonderausstellung „Caspar David Friedrich: Unendliche Landschaften“ (19. April bis 4. August 2024) an bestimmten Wochentagen verlängerte Öffnungszeiten bis 20 Uhr haben, um dem erwarteten Besuchsinteresse entgegenzukommen. Diese Verlängerung wird insbesondere Menschen, die tagsüber arbeiten oder studieren, entgegenkommen. Unter der Woche hat diese große Gruppe an Menschen kaum Gelegenheit für einen Museumsbesuch. Vielleicht ist es also dringend nötig, die gewohnten Öffnungszeiten zu überdenken. Dies passiert bereits in vielen Museen Deutschlands, so ist das Modell eines ‘langen Tages’ einmal pro Monat oder Woche nichts Ungewöhnliches mehr. Es ist nur sinnvoll, sich an den Bedürfnissen der Öffentlichkeit zu orientieren, schließlich sind Museen für Besuchende konzipiert.

Wir finden es daher begrüßenswert, Öffnungszeiten an Besuchendenströme anzupassen. Zusätzlich hat dies auch positive Auswirkungen auf die Klimabilanz des Hauses, wie gerade beschrieben wurde. Aber gleichzeitig kann es doch nicht sein, dass wieder einmal nur dort gespart wird, wo es der Wirtschaft nicht schadet. Einsparen, indem eine Fabrik jeden Tag eine Stunde früher schließt? Undenkbar! Aber ein Museum – eine per Definition nicht gewinnorientierte Institution – wird geschlossen. Natürlich ist dies sehr einfach gedacht und die Realität weitaus komplizierter. Natürlich ergibt es Sinn, zuerst das zu schließen, was kein Plus in die Kassen bringt. Dennoch: ein Museum mag kein Geld einbringen, seine Währung hat aber garantiert keine Inflation. Schließlich sorgt es für Wissenserwerb – und wann war es jemals unnütz oder wertlos, etwas (Neues) zu wissen und zu lernen?

Sie merken: Öffnungszeiten sind politisch. Welche Institutionen sind in einer Stadt wert, dass Geld in sie investiert wird? Wo liegen die Interessen der Geldgeber:innen? Die Angelegenheit in Berlin zeigt deutlich die Abhängigkeit von den Trägern, in diesem Fall dem BKM.

Es bereitet uns Sorgen, dass so etwas in der Hauptstadt passiert – und dann auch noch in solch angesehenen und großen Häusern. Möglicherweise ziehen andere Bundesländer und Kommunen nach. Das wäre fatal. Aber sicherlich gibt es in Ihrer Region auch Positivbeispiele von Museen, die ihre Öffnungszeiten bewusst erweitern, um in Krisenzeiten die Bevölkerung zu informieren, für Austausch zu sorgen oder einfach nur ein bisschen Wärme zu spenden. Schreiben Sie uns gerne, wenn Sie solche Beispiele kennen.
Alia van den Berg
Klimakolumne