MFF Germany

#3 Museen & Energie

Seit nunmehr zwei Monaten gibt es Museums for Future Germany. Jeden Monat widmen wir uns einem wichtigen Klimathema und seinen Schnittstellen zur Museumswelt. Dabei möchten wir Bewusstsein für die Dringlichkeit der Klimakrise schaffen und zeigen, dass auch Museen Maßnahmen treffen können, die positive Auswirkungen auf den Klimawandel mit sich bringen. Wir fokussieren uns dabei auf die fünf Säulen der Museumsarbeit: Das Sammeln, Bewahren, Vermitteln, Ausstellen und Forschen. In diesem Monat machen wir uns auf die Suche nach Anknüpfungspunkten zum Thema Energie.
Im Internet finden sich zahlreiche Rechner, mit denen einzelne Personen oder Haushalte ihren ökologischen Fußabdruck berechnen können. Diese zeigen auf, wie viel biologisch produktive Fläche benötigt wird, damit ein Mensch seinen Lebensstandard dauerhaft beibehalten kann und setzen diese Ergebnisse in Relation zu der tatsächlich verfügbaren Fläche auf unserem Planeten. Eine Teilmenge des ökologischen Fußabdrucks ist der CO2-Fußabdruck oder auch „Carbon Footprint“, der sich auf die Emission von Gasen konzentriert, die den Treibhauseffekt fördern. Beide Fußabdrücke können auch für Unternehmen, Kultureinrichtungen oder Veranstaltungen berechnet werden.
Kürzlich veröffentlichte die Kulturstiftung des Bundes die Publikation „Klimabilanzen in Kulturinstitutionen“, in der 19 Kultureinrichtungen vorgestellt werden, die ihren CO2-Fußabdruck untersucht und Maßnahmen geplant haben, wie sie diesen gezielt reduzieren können. In der Publikation werden nicht nur wichtige Tipps und Tricks gesammelt, auch werden Arbeitsmaterialien bereitgestellt. Die Devise lautet also: Ran an die Zahlen, rettet das Klima – und damit auch die eigenen Institutionen und Sammlungen.

Energiewende im Museum
Sehen wir uns nun einmal gemeinsam an, wie die unterschiedlichen Bereiche der Museumsarbeit zu einer verbesserten Treibhausgasbilanz beitragen können. Zunächst ist aber wichtig, zu verstehen, welche Faktoren bei der Aufstellung einer solchen Bilanz überhaupt betrachtet werden: Neben Emissionen am Standort selbst wie der Verbrauch von Strom und Energie für Heizung und Klimatisierung in Ausstellungs-, Depot- und Büroräumen, zählen auch Faktoren, die als sogenannte „graue Energie“ bezeichnet werden: Darunter fallen Emissionen, die bei Herstellung, Transport und Lagerung von Materialien, Strom und Wärme anfallen sowie indirekte Emissionen aus vor- und nachgelagerten Aktivitäten wie z.B. Dienstreisen, Arbeitswegen, Dienstleistungen, etc.

Klimafreundlich sammeln, bewahren und forschen
Für die sachgemäße Lagerung von musealen Objekten gibt es klare klimatische Bedingungen, deren Einhaltung je nach Standort des Museums und Beschaffenheit des Gebäudes wahrhaft riesige Energiemassen und damit auch Geld verschlingt. Johanna Leissner vom Fraunhofer Institut erklärte in einem kürzlich erschienen Interview im Monopol-Magazin: “Ein Museum der Größe der Neuen Pinakothek in München oder des Nationalmuseums in Krakau hat eine Energierechnung von bis zu 700.000 Euro im Jahr – was noch vergleichsweise wenig ist.” Energieeinsparungen würden auch finanzielle Einsparungen bedeuten. Wichtig ist im Kontext Energiewende primär natürlich auch, wie dieser Strom produziert wurde. Ein erster zielführender Schritt, der sich auch positiv auf andere Bereiche der musealen Arbeit auswirkt, ist der Wechsel auf erneuerbare Energien und die klimafreundliche Ertüchtigung von Gebäuden und Haustechnik.

Darüber hinaus sollten dringend Forschungsprojekte angestoßen werden, im Rahmen derer geprüft wird, für welche Objektgattungen die klimatischen Regeln wie streng und zwingend eingehalten werden müssen. So könnten künftig möglicherweise nur einzelne Bereiche der Depots und Ausstellungsräume entsprechend klimatisiert werden.
In Bezug auf die Sammlungsarbeit ist es unabdingbar, dass Museen klare und kritische Sammlungskonzepte erstellen, um zu vermeiden, dass Sammlungen exponentiell wachsen. Denn: Mehr Objekte benötigen mehr Stauraum, woraufhin Depoträume vergrößert bzw. neu geschaffen werden müssen, wodurch der Energiebedarf steigt und die Emissionen wachsen. Zudem sollte Hand in Hand mit der Klimadebatte auch das Gespräch über das Thema Entsammeln neu aufgenommen werden, um museale Sammlungen in einer umweltfreundlichen Größe zu halten.
Um die Forschung an Sammlungskonvoluten zu erleichtern, empfiehlt sich darüber hinaus, die Digitalisierung der Sammlung voranzutreiben. Das Beispiel des Naturkundemuseums Berlin zeigt, dass so Leihgaben an Forschende bzw. Anreisen durch selbige deutlich verringert werden können.
Ausstellen
Besonders Museen, die mehrere Wechselausstellungen pro Jahr veranstalten und dabei auf Leihgaben aus aller Welt zurückgreifen, sollten überlegen, wie sie Prozesse optimieren können, um ihren CO2-Fußabdruck zu verringern: Transportwege, Verpackungsmaterialien, Ausstellungsbau, Dienstreisen zur Akquise von Kunstschaffenden sind nur einige der Faktoren, die sich in diesem Bereich der Museumsarbeit auf die Klimabilanz eines Hauses auswirken.
Bereits von einigen größeren Häusern praktiziert werden gemeinsame Transportfahrten bzw. Objekt-„Tourneen“. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung wäre der Wechsel auf klimafreundlichere Transportmittel wie Schiffe und Züge statt Flugzeuge und LKWs. Doch sollte auch die Ausstellungspraxis selbst noch stärker hinterfragt werden: Wie viele Wechselausstellungen mit internationalen Werken pro Jahr sind vertretbar? Warum nicht stärker konzentrieren auf die Objekte in den eigenen Depots oder Sammlungen benachbarter Häuser? Inwiefern können digitale Alternativen geschaffen werden? Generell sollten künftig CO2-Kriterien bei der Ausstellungsplanung einbezogen werden und der Fokus dabei auch auf die Wiederverwendung von Einbauten, Vitrinen und Verpackungsmaterial gelegt werden.
Neben den teils weiten Reisestrecken, die Objekte zurücklegen müssen, um in unsere Museen zu gelangen, reisen täglich auch Besucher*innen und Mitarbeitende an, um sich Ausstellungen anzusehen oder diese vorzubereiten. Auch dabei werden Emissionen verursacht, die in die Klimabilanz des Museums zählen. Lest euch doch gerne unsere Klimakolumne von Juni 2021 durch, um mehr über die Zusammenhänge zwischen Mobilität und Museum zu erfahren.

Vermitteln
Museen sind politische Institutionen, die Besucher*innen zum kritischen Denken und Hinterfragen festgefahrener Strukturen anregen können. Das Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten sollte als Schirm über alle Ausstellungs- und Vermittlungsprogramme gelegt werden, um so für das Thema zu sensibilisieren. Oder wie wäre es, gleich direkt in den Diskurs mit lokalen Akteuren und Initiativen zu gehen? Sind Museumsräume nicht auch Begegnungsräume? Nur allzu häufig unterschätzen wir Tatendrang, Wissen, Interesse und Engagement in unseren lokalen Gemeinschaften. Wissensvermittlung ist wahrlich keine Einbahnstraße und warum kann ein Museum nicht auch etwas von seinen Besucher lernen, die sich bereits mit der Energiewende auseinandersetzen?
Ökologische Nachhaltigkeit sollte in die generelle Substanz eines Museums eingewoben werden und nicht als Nischenthema, sondern als Querschnittsthema betrachtet werden. Nachhaltigkeit selbst ist ja bereits essentieller Bestandteil der DNA von Museen: Objekte der Vergangenheit und Gegenwart für kommende Generationen zu erhalten. Bemühen wir uns also gemeinsam, alte und neue Strukturen zusammenzubringen, bürokratische Hürden abzubauen und mit gutem Beispiel voranzugehen, denn auch Kulturinstitutionen hinterlassen einen ökologischen Fußabdruck, der mit etwas Aufwand verringert werden kann.

Best Practice Beispiele
Im letzten Monat haben wir auf unsere Social-Media Kanälen einige Projekte aufgezeigt, die mit gutem Beispiel vorangehen. Auf diese sei an dieser Stelle nochmal hingewiesen.
  • Klimahaus Bremerhaven ein ausgeklügeltes Energiekonzept aufweisen und bezieht Strom aus 100% erneuerbaren Energien.
  • Museum Wald und Umwelt Ebersberg nach langem, behördlichem Kampf endlich eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und zeigt regelmäßig Sonderausstellungen, die sich mit Klimathemen befassen.
  • Kulturstiftung des Bundes ein umfangreiches Pilotprojekt durchgeführt, in dem Klimabilanzen von 19 Kulturinstitutionen erstellt wurden. Die Studie kann hier heruntergeladen werden. Darin finden sich neben Tipps und Tricks auch zahlreiche Arbeitsmaterialien.
  • Die Hanseatische Materialverwaltung in Hamburg verleiht gegen einen kleinen Preis Material für jegliche Form von Kulturveranstaltung. So wird der Lebenszyklus von Materialien deutlich verlängert – vielleicht ließe sich etwas Ähnliches für den Ausstellungsbetrieb bzw. Verpackungsmaterial im Museumsbereich umsetzen?
  • Das Naturkundemuseum Berlin hat einen Großteil seiner Sammlung digitalisiert und konnte dadurch emissionsreiche Transporte von Objekten bzw. Forschenden verringern.

Welche nachhaltigen Strukturen leben Sie in Ihrem Museum? Wie versuchen Sie Energie einzusparen? Wenden Sie sich gerne an uns, denn wir würden uns freuen, die Liste der Best-Practice-Beispiele zu verlängern, um so Anregungen für andere Museen zu schaffen.
Klimakolumne