MFF Germany

Diorama #2 Die Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes

Vor gut einer Woche war es soweit: „Ins Handeln kommen. Klimaschutz im Museum“, die Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes, fand statt (hier das Programm). Mit einer kurzen Verspätung (wir bitten diese zu entschuldigen) hier nun eine Zusammenfassung von spannenden Zitaten, Tipps, Erkenntnissen, Kritik und Lob.
Es ist 09:30 Uhr. Eilig laufe ich an mehreren Menschen vorbei, die Stufen zum Theater Osnabrück hoch, doch an der Tür angekommen muss ich stehenbleiben. So viele Menschen! Später weiß ich, dass knapp 900 Personen vor Ort sind. Ich höre klirrende Gläser und Stimmengewirr, sehe Businessmode und Dr. Martens. Die Menschen wirken motiviert und aufgeregt. Angekommen in der Museumswelt erwarte auch ich gespannt den Beginn der Vorträge. Hier einige Einblicke, die im Gedächtnis blieben:

Zitate zum Nachdenken (ohne Namensangabe: Stimme aus dem Publikum)
  • Schon der erste Vortrag ist schonungslos: „Hand aufs Herz. Bei den meisten von uns ist doch noch gar nicht so viel passiert. Wir finden immer einen Grund zum Festhalten.“ (Dr. Derks)
  • „Klimaschutz heißt: Gewohnheiten ändern und Chancen nutzen, die schon da sind.“
  • „Am Anfang mache das Thema keinen Spaß, doch man wird belohnt. Und es macht Spaß, etwas bewirken zu können.“ (Gesprächsrunde der ersten Session)
  • „Unsere Kreativität ist nicht an Materialien gebunden. Besuchende kommen nicht in die Ausstellung und sagen „Was für eine schöne MDF-Platte.““
  • Wir schützen die Kunstfreiheit dadurch, dass wir uns jetzt um Nachhaltigkeit kümmern.“ Und: „Zusammen geht man langsamer. Aber weiter.“ (Bilabel)
  • „Wir sind alle in einer Phase des Experimentierens. Das können die Großen nicht besser als die Kleinen.“ (Dr. Zwast)
  • „Wir haben nicht fünf vor zwölf, wir haben eins vor zwölf. How much time do we need for progress? In zehn Jahren wird der DMB ganz anders über dieses Thema reden.“ (Prof. Dr. Simon)
  • „Der Ball ist bei uns im Feld. Wir müssen ihn spielen, denn wenn wir es nicht tun, macht es die Politik.“ (Michael John in der Publikumsdiskussion über die Frage, wer entscheiden kann, wie das Klima in Museen geregelt werden soll)
  • „Nachhaltigkeit darf in ein paar Jahren nicht zum Randthema werden wie Inklusion oder Barrierefreiheit.“
  • „Museen erreichen nur einen bestimmten Teil der Gesellschaft. Über Nachhaltigkeit erhalten wir vielleicht die Chance, auch Menschen anzusprechen, die sonst nicht im Museum sind.“
  • „Wir sind die glaubwürdigste Institution unserer Gesellschaft.“


Tipps aus der Praxis
  • „Mensch raus, Licht aus.“ (M. John)
  • Als erste Schritte der Weg in die Keller und den Blick nach oben: Technikräume, Mülltonnen (wie viele, welche, welche fehlen?), Leuchtmittel, Kältemittel (Dr. Zwast)
  • Elektro ist in: Neben der Brikettfabrik wurde eine Elektro-Tankstelle gebaut, die Ape (dreirädriges kleines Auto) des Stadtmuseums Tübingen elektrisch umgebaut.
  • Viele Angebote zur Nachhaltigkeit machen, um die Besuchenden zu begeistern und so mitzunehmen. Den größten Einfluss können Museen haben, wenn sie nicht nur das eigene, sondern vor allem das Verhalten der Besuchenden ändern.
  • Gestaltungswettbewerb ausrufen, wer die emissionsärmste Ausstellung planen kann (Bergener). Wir von MFF denken uns hinzu: Vielleicht sogar Besucher:innen?
  • Museen sollten die Region einbeziehen.
  • Ziel 4 (Hochwertige Bildung) und 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) der „17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung“ sind entscheidend, um die anderen Ziele zu erreichen.
  • Jedes Grad, das im Haus eingespart wird, spart 6% Energiekosten. (Dr. Huckemann)


Erkenntnisse
  • Kleine Museen haben es teilweise einfacher, weil die Wege kürzer und somit Entscheidungen schneller getroffen werden können. Aber: manchmal entscheidet dann eben auch nur eine Person.
  • Stefanie Dowidat zeigt uns, was eine nachhaltige Ausstellung sein kann: sie ist ziel- und exponatorientiert, bilanziert, klimatisiert? (ja, mit Fragezeichen!), ressourcenorientiert, engagiert & motiviert und ästhetisch.
  • Museen tragen Verantwortung: eine Gestalterin aus dem Publikum sagt, dass Gestalter*innen auf die Nachfrage der Museen reagieren. So, wie M. John tags zuvor sagte, die Ingenieur*innen würden die Aufträge so ausführen, wie sie diese bekommen.
  • Es findet ein Paradigmenwechsel statt: Früher haben oder wollten die kleinen Museen von den großen lernen. Nun ist es andersherum. Die kleinen müssen aus Kostengründen u.Ä. schon lange vieles wiederverwenden etc., die großen Museen können von den kleinen lernen. (Dowidat)
  • Plädoyer für einen Perspektivenwechsel: Die Diskussion um die Klimatisierung von Objekten sei wichtig und schön, doch wir sollten nicht vergessen, dass in anderen Orten dieser Welt Menschen keine lebensfähige Umgebung mehr haben. Wir sind in der privilegierten Situation, uns darum Sorgen erlauben zu können.
  • Hanna Belz von MFF erinnert uns: Wir würden alle nicht gemeinsam an dieser Tagung teilnehmen, wenn nicht vor einigen Jahren ein einzelnes Mädchen namens Greta Thunberg einen Klimastreik begonnen hätte. Wir sollten mutig sein und handeln. Jede*r kann etwas erreichen!
  • Das Bizot Green Protocol (leichte Schwankungen im Klima) wird erfolgreich und bisher ohne sichtbare Schäden am Objekt eines Museums getestet. Konträr hierzu zeigt Lange, dass die Schwankungen Objektschäden bei z.B. Deckenmalerei beschleunigen.
Kurze Worte zu zwei Vorträgen
Die Keynote von Jacob Sylvester Bilabel sorgte mit ihren GIFs und Welpenbildern trotz des ernsten Themas des Klimaschutzes für einige Lacher. Michael Johns Impuls gab so viel Input in kurzer Zeit, dass wohl manchen die Ohren klingelten. Positiv gemeint! Er begann seinen Vortrag damit, er würde mit seinen Maßnahmen die tiefhängenden Früchte ernten und wundert sich, warum manche das negativ bewertet hätten in der Vergangenheit.

Konstruktive Kritik oder wie wird es noch besser nächstes Mal:
Gemeinsam mit dem Namensschild bekam jede*r Teilnehmende einen Jutebeutel, in dem ein gedrucktes Programmheft und ein Kugelschreiber vorzufinden waren. Das ist doch sicherlich mindestens Nr. 132 in so manchem Haushalt!

Folgendes war schon im Vorhinein der Tagung offenkundig und ist ein Problem der meisten Tagungen. Gerade deshalb soll sie hier nicht ungesagt bleiben: Die Inklusion. Gebärdendolmetscher*innen waren nicht vor Ort und man konnte lange nach Diversität auf der Bühne oder im Publikum schauen. Personen, die Carearbeit verrichten, waren auf ein Unterstützungssystem für die vier (bzw. zwei Haupt-) Tage angewiesen. Kinderbetreuung? Fehlanzeige. So waren sicherlich manche ausgeschlossen von diesem Diskurs. Und das, wo Museen doch immer ALLE ansprechen wollen.

Ganz besonderes Lob
Neben der Anmeldung lagen Zeitschriften und andere Beilagen aus, die bei Bedarf mitgenommen werden konnten. Es gab ein vergünstigtes Deutsche Bahn-Ticket zur An- und Abreise und eine „Vermittlungsstelle“, um andere Reisende mit dem Auto mitzunehmen. Die Verpflegung konnte sich sehen lassen: vegetarisch und veganes Mittagessen, in den Kaffeepausen Kekse und Obst. Insgesamt gelang es dem DMB, eine Plattform für dieses wichtige Thema zu schaffen. Die Teilnehmenden tauschten sich aus, (hinter-)fragten, überlegten gemeinsam. Und ich fuhr mit dem Gefühl nach Hause, dass die Museen tatsächlich ins Handeln kommen wollen.
Zwei wichtige Hinweise zum Schluss: Ab Juni kann man die Tagung kostenlos online ansehen. Und der kostenlose Leitfaden „Klimaschutz im Museum“ ist pünktlich zur Tagung erschienen (hier zum Herunterladen). Dafür nochmal ein ganz besonderes Lob an alle Beteiligten und die Projektleitung Sina Herrmann.



<Quellen>

Programm Jahrestagung: https://www.museumsbund.de/dmb23-programm/
Leitfaden Klimaschutz: https://www.museumsbund.de/publikationen/leitfaden-klimaschutz-im-museum/
Bei Anmerkungen oder zum Austausch, wenden Sie sich gerne an germany@museumsforfuture.org
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