Anfang 2023 ist das 18. Jahrbuch für Kulturpolitik von der Kulturpolitischen Gesellschaft herausgekommen. Jedes Jahr gibt es einen neuen Themenschwerpunkt und das nun erschienene für die Jahre 2021/2022 trägt den Untertitel „Kultur der Nachhaltigkeit“. Das Ergebnis sind 47 Artikel auf mehr als 500 Seiten, die nachhaltige Kultur allgemein, Praxis, Förderungen von Nachhaltigkeit, einzelne Kultursparten, Blicke auf nachhaltige Kultur außerhalb Deutschlands sowie Kulturstatistiken abdecken. Ein breites Angebot an Inhalten, das wir uns in dieser Klimakolumne genauer ansehen.
Insgesamt wird zweierlei überaus deutlich: Erstens, es muss noch sehr viel getan werden, aber es gibt bereits einige inspirierende Beispiele. Zweitens, die Autor*innen stimmen darin überein, dass sich alle Bereiche unseres Lebens grundlegend wandeln müssen (die „Große Transformation“) und die Kultur dazugehört. Kultur sei sogar ein ausschlaggebender Faktor für eine solche Transformation. Warum? Weil sie mit alternativen Handlungswegen vertraut ist (vgl. Brosda: 128) und als Impulsgeberin und Ideengeneratorin neue Narrative, Produktionsformen, Arbeitsstrukturen neu etablieren kann (vgl. Bramkamp/ Rietschel: 288).
In den Beiträgen werden immer wieder Fonds, Stiftungen, Initiativen oder Studien mit einem Nachhaltigkeitsfokus vorgestellt. Das stimmt hoffnungsvoll: Es tut sich was. Förderungen folgen bisher einem Wachstumsparadigma (vgl. Klein: 193), doch mit den neuen Ideen könnte es irgendwann von dem konkurrierenden Nachhaltigkeitsparadigma abgelöst werden.
Vielen dürfte das Säulenmodell bekannt sein, welches das Soziale, die Ökonomie sowie Ökologie als die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit umfasst. Im Jahrbuch wird es ebenfalls aufgegriffen, gemeinsam mit der Frage: Wo ist die Kultur? Dabei werden Überlegungen zu neuen Modellen aufgestellt:
„Museen als Orte für Experimente, als Diskursorte, um den gesellschaftlichen Wandel anzustoßen, und als Handlungsorte, um Möglichkeiten für ein nachhaltiges Verhalten aufzuzeigen – all das können Museen sein, um Nachhaltigkeit dauerhaft und zukunftsfähig für künftige Generationen zu gestalten.“ (Dowidat: 412).
„Sie [die Menschen] ahnen, dass es ans Eingemachte unserer Wirtschafts- und Lebensweise geht.“ (Kindsmüller: 85).
„Wer aber an Relevanz und Kraft der Kultur glaubt […], ist sicher besser beraten, aktiv und agil die eigenen Handlungsoptionen auszuloten und selbstbewusst anzufangen. Es gilt die privilegierte Rolle der Kulturbetriebe und der Kulturpolitik zu nutzen […]“ (Könneke: 238) Sein Fazit: „Bisher sind wir Teil des Problems. Besser wäre, Teil der Lösung zu werden.“ (Könneke: 243).
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Alle Zitate aus: Kröger, Franz/ Mohr, Henning/ Sievers, Norbert/ Weiß, Ralf (Hg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2021/22. Thema: Kultur der Nachhaltigkeit. Fachbeiträge/Kulturstatistik/Literatur. Bielefeld 2022.
Darin enthaltene Beiträge:
- Bramkamp, Nicola/ Rietschel, Anne: Klima wandelt Kunst. Wie wir Betriebsökologie und Ästhetik zusammendenken können. S. 283-289.
- Brand, Ulrich: Solidarisch produzieren und leben. Kultur kann imperiale Denkmuster aufbrechen. S. 77-84)
- Brocchi, Davide: Transformative Kulturpolitik ist emanzipierte Kulturpolitik. S. 143-151.
- Brosda, Carsten: Nachhaltige Kulturpolitik als Politik der Vielen. S. 125-131.
- Charles, Stefan: Culture Climate Circle. Eine Koalition der Entschlossenen. S. 179-190.
- Dowidat , Stefanie: Vom Klimakiller bis zum Vorreiter – über Nachhaltigkeit in Museen. Ein Überblick. S. 407- 414.
- Kaluza, Hildegard: Nachhaltige Landeskulturpolitik – Perspektiven und Ansätze aus NRW. S. 203-210.
- Kindsmüller, Werner: Warum sollen wir unser Leben ändern? S. 85-93.
- Keuchel, Susanne: Vision einer nachhaltigen Kulturpolitik – zur Beziehung von Kulturpolitik und gesellschaftlichem Wandel. S. 115-123.
- Könneke, Achim: KlimaKulturPolitik selbst machen. S. 233-244.
- Rossmeissl, Dieter: Nachhaltigkeit durch Kulturelle Bildung. S. 245- 249.